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Hebammen besorgt über Trend zum "Babyfernsehen" per Ultraschall

Geburt nach Plan und "Babyfernsehen" per Ultraschall - die moderne Technik macht manches möglich, aber nicht alles ist wünschenswert, finden Hebammen. Sie sorgen sich um die Entscheidungsfreiheit der Frauen - und auch um ihren Berufsstand.

Karlsruhe (dpa)

Geburt nach Plan und "Babyfernsehen" per Ultraschall - die moderne Technik macht manches möglich, aber nicht alles ist wünschenswert, finden Hebammen. Sie sorgen sich um die Entscheidungsfreiheit der Frauen - und auch um ihren Berufsstand.

Hebammen gehen am Dienstag bundesweit auf die Straße. Sie beklagen schlechtere Arbeitsbedingungen und fürchten auch um eine angemessene Versorgung für Schwangere. Angesichts der Zunahme von Kaiserschnitten und dem Trend zum "Babyfernsehen" per Ultraschall warnen sie zudem vor einer Entmündigung der Frauen: "Da geht auch das Gespür der Mutter zum Kind verloren", sagte Martina Klenk, die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Jede dritte Frau bringt in Deutschland ihr Baby mit Kaiserschnitt zur Welt - Tendenz zunehmend. Was ist so schlimm daran?

Antwort: Es ist einfach nicht nötig. Durch eine zunehmende Medikalisierung und Technisierung sind Frauen zunehmend verunsichert und haben kein Zutrauen mehr in ihre eigene Körperkompetenz. Geburt wird als Risiko gesehen statt normalem Lebensereignis. Das ist schade. 

Frage: Gibt es auch andere Motive?

Antwort: Es sind oft haftungsrechtliche Gründe oder finanzielle. Manche Kliniken machen mehr Kaiserschnitte, weil sie das besser vergütet bekommen. Auf Kosten der Frauen. Wunsch-Kaiserschnitte wegen der Karriereplanung oder um die "Liebesorgane" zu schonen, gibt es eher weniger.

Frage: Welche Trends machen Ihnen noch Sorgen?

Antwort: Das "Babyfernsehen" - der Trend, das Kind im Bauch schon im Ultraschall zu beobachten. Das sehen wir eher skeptisch. Da geht auch das Gespür der Mutter zum Kind verloren. Das Baby wird als eigenes Gegenüber gesehen, statt eine Einheit von Mutter und Kind. Das führt dazu, dass Frauen sich nicht mehr so viel zutrauen. Medizinische Experten sollen dann Risiken selektieren. Das ist problematisch - auch weil Frauen immer später Mütter werden.

Frage: Was ist mit Hausgeburten?

Antwort: Es gibt nicht mehr so viele Hausgeburten. 98 Prozent der Kinder werden in Kliniken geboren. 

Frage: Woran liegt das?

Antwort: Das hat auch etwas mit der enormen Prämiensteigerung der Haftpflichtversicherung für einen eventuellen Schadensfall zu tun, die Hebammen bezahlen müssen. Angesichts von jährlichen Versicherungskosten von 6200 Euro ab Juli bei einer freiberuflichen Hebamme bieten viele der bundesweit rund 20 000 Hebammen Geburtshilfe schon gar nicht mehr an. Sie kümmern sich stattdessen um Schwangerenvorsorge, Wochenbettbetreuung und Rückbildungsgymnastik. 

Frage: Was müsste geschehen?

Antwort: Wir haben für eine langfristige politische Lösung der Haftpflichtfrage eine Schadensregulierung über einen Fonds vorgeschlagen. Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen GKV-SV, muss sich endlich bewegen. Wir planen aktuell die Schiedsstelle anrufen, weil die Verhandlungen mit den Kassen gescheitert sind - wegen den nicht überbrückbaren Differenzen bei Hausgeburten. Vorgespräche von Hebammen sollen nicht mehr ausreichend finanziert werden; auch soll die Hebamme in einigen Fällen nicht mehr alleine über eine Hausgeburt entscheiden können. 

Frage: Was würde das bedeuten?

Antwort: Ein Großteil der Hausgeburten wäre künftig private Leistung. Die freie Wahl des Geburtsortes für Frauen wäre damit massiv eingeschränkt. 

Frage: Sie haben am Dienstag zu bundesweiten Aktionen zum internationalen Hebammentag aufgerufen, warum?

Antwort: Wir brauchen endlich eine langfristige Lösung der Haftpflichtproblematik. Die Vergütung von freiberuflichen und in der Klinik tätigen Hebammen zwischen 1800 und 2400 Euro ist angesichts der Verantwortung und Arbeitsbelastung mit vielen Nachtschichten und Bereitschaftsdiensten viel zu gering. Vor allem in Kliniken herrschen miserable Bedingungen, weil das Personal drastisch reduziert wurde und es eine unglaubliche Arbeitsverdichtung gibt. Wenn eine Hebamme drei bis fünf Frauen gleichzeitig betreuen muss und übermüdet ist, können Fehler passieren.

Frage: Was befürchten Sie?

Antwort: Es geht nicht nur um unseren Berufsstand. Es geht um die Versorgung von Frauen und Familien durch Hebammen-Hilfe. Wenn die wegbricht, haben wir gesundheitliche Mangelzustände. In grenznahen Regionen und Großstädten wie Frankfurt gibt es schon jetzt Probleme, am Wochenende eine Hebamme für die Nachsorge zu Hause zu bekommen.

Wir haben bereits einen Versorgungsmangel in Deutschland. Das betrifft viele Frauen und Familien. Wir rufen diese und weitere Unterstützer deshalb dazu auf, mit uns Gesicht zu zeigen am Hebammentag.

ZUR PERSON: Martina Klenk (54), ist seit 2009 Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes mit rund 18 800 Mitgliedern. Als Hebamme hat sie seit 1991 unzählige Kinder zur Welt gebracht. Eigene Kinder hat sie jedoch nicht.

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