Karlsruhe (dpa)
Als Verheirateter müsste er weniger für die Pflege seines Vaters zahlen als ohne Trauschein: Ein Familienvater findet das ungerecht und lässt es auf einen Prozess ankommen. Aber der Fall hat seine Tücken.
Es geht darum, was passiert, wenn die eigenen Eltern alt werden, um den Wert eines Trauscheins und womöglich auch um eine große Ungerechtigkeit. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat an diesem Mittwoch zu klären, wie das deutsche Unterhaltsrecht noch zur Lebenswirklichkeit von Patchwork-Familien passt. Denn für diese Familien kann die Ehe finanziell einen großen Unterschied machen. (Az. XII ZB 693/14)
Um was genau geht es?
Ein Familienvater aus der Nähe von Regensburg in Niederbayern streitet sich mit dem Land Berlin um inzwischen rund 15 000 Euro für Sozialleistungen an seinen pflegebedürftigen Vater. Die Behörden sind der Ansicht, dass der Vater, der seit Jahren in seiner Berliner Wohnung von einem Pflegedienst versorgt wird, von seinem Sohn mit monatlich 271 Euro unterstützt werden muss. Der sieht das nicht ein. Denn wäre er mit seiner Lebensgefährtin verheiratet, dürfte er für seine Familie mehr Geld zurückbehalten.
Wie funktioniert das mit dem Elternunterhalt?
Ein Pflegedienst oder ein Platz in einem Altenheim sind teuer. Reichen Rente und Pflegeversicherung nicht und sind die Ersparnisse des Betroffenen aufgebraucht, springt der Staat mit Sozialhilfe ein. Gut 450 000 Menschen in Deutschland waren im Laufe von 2014 zusätzlich noch auf "Hilfe zur Pflege" angewiesen. Allerdings ist jeder grundsätzlich verpflichtet, seinen Eltern Unterhalt zu zahlen, wenn die nicht mehr selbst für sich sorgen können. Das Sozialamt verlangt das Geld also unter Umständen von den Kindern zurück. Was man für ein Verhältnis zu seinen Eltern hat, interessiert dabei kaum: Nach einem BGH-Beschluss von 2014 musste ein Mann für seinen Vater zahlen, obwohl der seit vier Jahrzehnten keinen Kontakt zu ihm hatte.
Wie viel Geld müssen Kinder für ihre Eltern aufbringen?
Das hängt ganz von der persönlichen Lebenssituation ab. Denn Unterhalt zahlen muss nur, wer dazu auch in der Lage ist. Zentrale Größe ist dabei das eigene Jahreseinkommen, das noch um bestimmte Faktoren bereinigt wird. Vorrang vor den Eltern haben außerdem die eigenen Kinder und der Ehepartner. Wie viel Geld man für sich selbst und die Familie behalten darf, lässt sich aus der "Düsseldorfer Tabelle" ablesen. Dort werden aktuell mindestens 1800 Euro im Monat und noch einmal 1440 Euro für den Partner als angemessen festgesetzt. Nur von dem, was am Ende übrig bleibt, muss man Unterhalt zahlen.
An was entzündet sich der Streit im konkreten Fall?
Der Betroffene steht dem pflegebedürftigen Vater gar nicht negativ gegenüber, sagt zumindest sein Anwalt Peter Beutl: "Er sagt einfach: Ich habe eine Familie zu versorgen, ich denke eher an meinen eigenen kleinen Mikrokosmos - mein Vater ist ja versorgt." Denn seit 2007 lebt Beutls Mandant mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die beiden haben eine siebenjährige Tochter. Außerdem hat die Frau aus einer früheren Ehe zwei Kinder. Die Frage ist also: Warum soll für diese Patchwork-Familie anderes gelten als für Eltern mit Trauschein? "Er sieht sich faktisch in einer vergleichbaren Situation", sagt Beutl.
Was haben die Karlsruher Richter nun zu entscheiden?
Im Wesentlichen, ob dem Mann anzurechnen ist, dass er de facto eine Familie versorgt - auch wenn er dazu möglicherweise gar nicht verpflichtet ist. Ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Sache aber nicht. Denn eine Ehe bringt ja nicht immer finanzielle Vorteile mit sich: So hat der BGH in früheren Fällen entschieden, dass bei großen Einkommensunterschieden zwischen Mann und Frau das Familieneinkommen Basis der Berechnung ist - und zwar auch dann, wenn der Ehepartner mit dem pflegebedürftigen Elternteil derjenige ist, der deutlich weniger verdient. Der Einzelne muss dann zwar mehr Unterhalt zahlen, ist aber auch besser abgesichert, meinten die Richter. Ohne Trauschein ist das aber nicht der Fall.