Berlin (dpa)
Die Organspende soll gestärkt werden - durch mehr Aufklärung auch mit Hilfe der Ämter. Doch es ist fraglich, ob das gelingt.
Nach dem Bundestagsbeschluss zu Organspenden werden Zweifel an angestrebten Verbesserungen laut. Der Beamtenbund zeigte sich skeptisch, ob Ämter - wie vorgesehen - einen Schub geben könnten, um mehr Bürger konkret zu einer Spendebereitschaft zu bewegen. „Auch ohne zusätzliche Aufgaben ist die Arbeitsbelastung in den Bürgerämtern - vor allem in den großen Städten - enorm“, sagte Verbandschef Ulrich Silberbach der Deutschen Presse-Agentur. Patientenschützer forderten bessere Informationen und Kontrollen.
Silberbach mahnte: „Wir haben doch jetzt schon zum Teil wochen-, manchmal monatelange Wartezeiten.“ Eine einfache Abfrage oder die Übergabe einer Broschüre könnte man sicher organisieren. Er frage sich jedoch: „Aber ist der Sache damit geholfen?“ Die Organspende sei ein sehr persönliches und sensibles Thema, sagte der Vorsitzende des dbb beamtenbund und tarifunion. „Für Beratungsgespräche jedenfalls sind die Kolleginnen und Kollegen in den Bürgerämtern weder geschult noch personell aufgestellt.“ Eine Beratung in den Ämtern ist durch die Neuregelungen allerdings auch nicht vorgesehen.
Der Bundestag hatte am Donnerstag eine moderate Reform beschlossen. Künftig sollen alle Bürger mindestens alle zehn Jahre direkt auf das Thema Organspende angesprochen werden. Wer ab dem Alter von 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll Info-Material dazu bekommen. Beim Abholen kann man sich dann schon vor Ort auf dem Amt mit Ja oder Nein in ein geplantes Online-Register eintragen - aber auch jederzeit später von zu Hause. Auch in Ausländerbehörden soll es so umgesetzt werden. Hausärzte sollen zudem auf Wunsch alle zwei Jahre über Organspenden informieren und ergebnisoffen zum Eintragen ins Register ermuntern.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der mit einem eigenen Vorstoß im Parlament gescheitert war, hob erneut die öffentliche Debatte über das wichtige Thema hervor. „Es ist gelungen, dass in jeder Familie, in der Nachbarschaft, auf Arbeit, wo Bürger aufeinandertreffen, über diese Frage gesprochen worden ist“, sagte er beim Neujahrsempfang der „Ostsee-Zeitung“ in Rostock. Spahn hatte sich mit anderen Abgeordneten für eine Umstellung stark gemacht, wonach jeder als Spender gelten sollte, außer man widerspricht.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht durch die beschlossene Regelung mehr Spenderorgane noch nicht als ausgemacht an. Sie könne nur der Anfang sein, das Organspendesystem zu verbessern, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. „Denn die Informationspolitik muss sich grundsätzlich ändern.“ Schließlich hätten Werbung und Marketing in den letzten Jahren nichts gebracht. „Um selbstbestimmt entscheiden zu können, braucht es neutrale, ergebnisoffene sowie umfassende Aufklärung und Beratung“, forderte Brysch. „Die staatliche Verantwortung fängt hier an und muss bis zu Organisation und Kontrolle des Organspendesystems gehen.“ Hier sei Spahn gefordert.
Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein bedauerte, dass der Entwurf der Gruppe um Spahn keine Mehrheit fand. Die Wahrscheinlichkeit, dass die beschlossene Lösung zu mehr transplantierten Organen führt, halte er für gering, sagte er der dpa. „Es geht schließlich nur um die Fortschreibung der bisherigen Regelung.“ Das Problem zu weniger Organe werde bleiben und im Bundestag wieder diskutiert werden müssen. Die Patientenbeauftragte der Regierung, Claudia Schmidtke, zeigte sich in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag) offen, den Vorschlag in der nächsten Wahlperiode neu auf die Agenda zu setzen.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt machte deutlich, die Entscheidung des Bundestags sei sicher nicht das, was sich die schwerkranken Menschen auf der Warteliste erhofft hätten. Sie sei trotzdem ein Fortschritt. Sinnvoll sei besonders das Online-Register. „Die regelmäßige Abfrage der Organspendebereitschaft kann dazu beitragen, die Menschen stärker als heute für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren.“