Berlin (dpa)
Der Verband der niedergelassenen Ärzte, die KBV, kommt nicht aus der Krise. Zu groß sind die Differenzen zwischen Haus- und Fachärzten. Jetzt haben sie wohl auch noch Gesundheitsminister Gröhe gegen sich aufgebracht.
Der Tagungsleiter Hans-Jochen Weidhaas redete nicht lange um den heißen Brei herum. "Wir befinden uns in einer krisenhaften Situation", sagte er zu Beginn des öffentlichen Teils der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am Freitag in Berlin. Dann ging er auf die jüngsten Anschuldigungen gegen den früheren KBV-Chef Andreas Köhler ein. Dieser wurde vom Bundesgesundheitsministerium angezeigt, wegen "Untreue in besonders schwerem Fall". Er soll neben einem stattlichen Ruhegehalt einen regelmäßig gezahlten Mietkostenzuschuss von der KBV von insgesamt 96 000 Euro erhalten haben.
Weidhaas sagte, die Unregelmäßigkeiten müssten aufgearbeitet und Fehler korrigiert werden. Dies aber bitte schön endlich sachlich, nicht polarisierend - und vor allem nicht öffentlich. In der Tat drangen zuletzt immer wieder Berichte über angebliche Unregelmäßigkeiten bei Köhler und anderen in die Öffentlichkeit. Dies scheint zwar eher persönlicher Rache geschuldet und damit ein Nebenschauplatz zu sein. Es wirft aber ein Licht auf die Stimmung in gesamten Verband. Und die ist schon seit Jahren von massiven Verwerfungen gekennzeichnet.
Im Kern geht es um den Konflikt Hausärzte gegen Fachärzte. Es geht um viel Geld, um knapp 40 Milliarden Euro an Honoraren, die verteilt werden. Die KBV ist traditionell von Fachärzten dominiert: Der Vorstandsvorsitzende ist ein Facharzt, zur Zeit Andreas Gassen. Die Stellvertreterin ist eine Hausärztin, zur Zeit Regine Feldmann. Die Überrepräsentation der Fachärzte hat über die Jahre dazu geführt, dass die technischen medizinischen Leistungen bei der Honorarverteilung besser wegkommen als die sogenannte sprechende Medizin, also vor allem die Hausärzte.
In dieser Situation hat sich vor einigen Jahren der Deutsche Hausärzteverband aus der KBV ausgeklinkt. Er hat es verstanden, mit den Krankenkassen eigene Verträge abzuschließen. Dies läuft offensichtlich so gut, dass der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (Spifa) ähnliche Bestrebungen hat und damit für zusätzlichen Ärger in der KBV und den regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sorgt. Bemerkenswert dabei ist, dass Gassen bis vor kurzem SpiFa-Chef war.
Dieser Dauerstreit sorgt auch für erheblichen Unmut in der Politik.
Weidhaas warnte davor, es sich mit der ohnehin schon "maximal genervten Aufsicht" noch mehr zu verscherzen. Gemeint sind das Bundesgesundheitsministerium und Ressortchef Hermann Gröhe (CDU).
Dieser hatte zur Entschärfung des Konfliktes im Versorgungsstärkungsgesetz darauf gedrängt, dass bei Entscheidungen in der facharztdominierten KBV, die nur die Hausärzte betreffen, auch nur diese abstimmen sollten. Die KBV hat dies am Freitag zu dritten Mal abgelehnt, obwohl Gröhe damit gedroht hatte, dies dann als Aufsicht anzuweisen. Ein ziemlicher Affront gegen den Minister.
Allerdings hat sich die Vertreterversammlung noch ein Hintertürchen offen gelassen.
Es gibt immer wieder Stimmen, die die KBV abschaffen wollen. Aber wer soll es machen. Im Grunde will sich die Politik damit nicht belasten.
Wichtig seien Reformen. Gassen hat ein Agenda 2020 angestoßen. Ob ihm die gelingt, ist zweifelhaft. Bei der Versammlung machte sich Gassen für den freien Arztberuf stark und warf der Politik vor, mit ihren Gesetzen genau diesen zurückdrängen zu wollen.
Doch es ist wohl weniger die Politik als viel mehr die jungen nachkommenden Ärzte selbst. Die haben nicht mehr die Vorstellungen ihrer älteren Kollegen, als Freiberufler eine eigene Praxis zu betreiben. Viele von ihnen wollen lieber angestellt werden: in Gemeinschaftspraxen, in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder ähnlichen Einrichtungen. Zeichnet sich hier ein neuer Verteilungskonflikt ab?
Gassen mahnte bei dem Kongress, die KBV müsse sich frühzeitig vor der Bundestagswahl 2017 positionieren und sagen, wo es hingehen solle mit der Sicherstellung der ambulanten Versorgung. Und er drohte indirekt: "Wir haben in Deutschland 5,1 Millionen Beschäftigte im Gesundheistwesen", 165 000 Vertragsärzte und 550 000 Arzt- und Praxishelferinnen und -helfer. "Das mag die Politik zwischenzeitlich vergessen haben."