Genf (dpa)
Die WHO will sich nicht - wie bei Ebola - lange Untätigkeit vorwerfen lassen. Die UN-Organisation schlägt Alarm wegen des Zika-Virus, auch wenn noch wissenschaftliche Beweise fehlen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen des Zika-Virus und seiner möglichen Verbindung zu Schädelfehlbildungen den globalen Gesundheitsnotstand erklärt. Zu diesem Schritt habe eine 18-köpfige Expertenrunde geraten, teilte die WHO am Montagabend in Genf mit. Es gebe eine starke räumliche und zeitliche Verbindung zwischen dem Virus und dem Auftreten von solchen Fehlbildungen (Mikrozephalie), sagte die WHO-Direktorin Margaret Chan. Es fehle aber noch der wissenschaftliche Beweis.
„Wenn wir bis zum wissenschaftlichen Beweis warten, werden die Menschen uns Untätigkeit vorwerfen“, sagte Chan. Die Ausrufung des Notfalls erleichtere das Bemühen, die Verbreitung des Virus zu bekämpfen. „Wir brauchen eine koordinierte internationale Antwort, um der Sache auf den Grund zu kommen“, sagte Chan.
Es gebe seit 2015 in Brasilien inzwischen 270 bestätigte Fälle, in denen Schwangere mit einem fehlgebildeten Kind zuvor an Zika erkrankt waren. Das Virus trete inzwischen in 25 Ländern auf.
„Zika hat sich ausgebreitet und die Frage ist, wird es sich weiter ausbreiten“, sagte ein WHO-Experte zur Begründung des Notfalls. Das in seinem Verlauf eigentlich harmlose Virus allein hätte nicht diesen Alarm ausgelöst, aber die Häufung der Fälle, sagte der Vorsitzende des Notfall-Komitees, David L. Heymann.
Zugleich betonte die WHO, dass es im Moment keinen Grund für allgemeine Reisewarnungen oder Beschränkungen im Handel gebe. Allerdings sollten Schwangere betroffene Länder meiden.
Zuletzt hatte die WHO im August 2014 wegen Ebola in Westafrika einen globalen Notstand erklärt. Davor hatte die WHO Kinderlähmung/Polio im selben Jahr als globalen Gesundheitsnotstand bezeichnet, 2009 die Verbreitung der Schweinegrippe.
Bei dieser Notfallregelung können Staaten außerhalb der Seuchengebiete aufgefordert werden, Maßnahmen einzuleiten, die eine Ausbreitung des Erregers oder seines Überträgers verhindern sollen.
So solle nun intensiver gegen die Moskitos vorgegangen werden, die das Virus übertragen. Es müsse auch die internationale Überwachung von Schädelfehlbildungen standardisiert werden, hieß es. Die WHO will am Dienstag weitere Empfehlungen veröffentlichen.
Das Virus wird von der Moskitoart Aedes aegypti übertragen. Zum Verdacht, dass Zika für Schädelfehlbildungen verantwortlich ist, sagte die Infektionsepidemiologin Christina Frank vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin: „Was man noch gar nicht abschätzen kann, ist, ob noch Co-Faktoren vorhanden sein müssen.“ Das könnten etwa Antikörper gegen andere Viren sein, die zusammen mit dem Zika-Virus eine Mikrozephalie auslösen. Möglich sei auch, dass nicht Zika, sondern ein ganz anderer Faktor der Verursacher sei. „Das könnte zum Beispiel ein Medikament sein“, sagte die Expertin.
Allein in Brasilien gibt es schon etwa 4180 Mikrozephalie-Verdachtsfälle. In dem Land gibt es jetzt verstärkt Abtreibungen, wie die Zeitung „Folha de São Paulo“ berichtete. Sie zitierte mehrere Ärzte, bei denen Frauen um eine anonyme Abtreibung gebeten haben sollen. Einige Frauen würden erst gar nicht die Prognose abwarten, ob ihre Babys mit Mikrozephalie auf die Welt kommen würden, hieß es in dem Bericht.
Das Virus hat auch Auswirkungen auf den indischen Autobauer Tata Motors. Tata erwägt, sein neues Kleinwagenmodell „Zica“ umzubenennen.
Es sollte diese Woche auf einer indischen Automesse präsentiert werden. „Wir haben den Namen ausgewählt, als es das Problem noch nicht gab, und ihn schon im Dezember den Medien vorgestellt“, sagte eine Firmensprecherin. „Aber jetzt überdenken wir die Sache und werden entscheiden, ob wir den Namen ändern oder nicht.“