München (dpa)
Millionen Menschen leben mit dem Virus, hunderttausende sterben alljährlich daran: Auch wenn viel weniger als früher über die Gefahren einer HIV-Infektion gesprochen wird: Sie sind längst nicht gebannt. In diesem Jahr wird München Treffpunkt der weltgrößten wissenschaftlichen Zusammenkunft zum Thema HIV sein. Vom 22. bis 26. Juli werden zur Welt-Aids-Konferenz „Aids 2024“ mehr als 15 000 Teilnehmer erwartet.
Wissenschaftler, Mediziner, Gesundheitsexperten und Aktivisten aus mehr als 175 Ländern wollen auf Einladung der Internationalen Aids-Gesellschaft IAS (International Aids Society) über Möglichkeiten beraten, das HI-Virus und das daraus resultierende Immunschwächesyndrom Aids besser einzudämmen.
Vor allem in Osteuropa steigen die Infektionszahlen wieder an; in Afrika sind sie weiter hoch. Rund zwei Drittel aller weltweiten Infektionen würden in Afrika registriert, sagt Christoph Spinner vom Universitätsklinikum rechts der Isar in München, der den örtlichen Kongressvorsitz übernimmt.
In Deutschland haben sich nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) 2022 geschätzt etwa 1900 Menschen mit HIV infiziert, im Jahr 2021 etwa 1800. Weltweit leben Spinner zufolge rund 40 Millionen Menschen mit dem Virus, rund 9,2 Millionen haben keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu Therapie. Nur die Hälfte der Kinder mit HIV erhalte lebensrettende Medikamente. Rund 630 000 Menschen seien 2022 an Aids-bedingten Todesursachen gestorben.
Es sind Todesfälle, die vermeidbar wären: Es gebe inzwischen gute Behandlungsmöglichkeiten, erklärt Spinner. „Menschen mit HIV können dank moderner Therapie ein normales Leben führen und gesund altern“, sagt er. „Die erfolgreiche HIV-Therapie unterdrückt die Virusvermehrung und verhindert damit auch die potenzielle Übertragung einer HIV-Infektion.“ Betroffene könnten damit in allen Berufen arbeiten - auch im Gesundheitswesen.
Gerade in ärmeren Ländern seien die Medikamente aber nicht überall verfügbar. Nötig sei zudem mehr Information über vorbeugende Medikamente, die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP), sagt Spinner. Darauf verweist auch das RKI. Es registriert seit Jahren einen Rückgang der Infektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben.
Dass es nach den wegen Corona eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten 2022 nicht zu einem neuen Anstieg kam, könnte auf vermehrter Nutzung der PrEP beruhen, folgert das RKI. Nachholbedarf gibt es bei Sexarbeitenden, bei intravenös Drogen Konsumierenden und bei Heterosexuellen mit oft wechselnden Partnerinnen und Partnern. Gerade in den beiden letzten Gruppen sei kein Rückgang der Neuinfektionen erkennbar, vielmehr stiegen die Zahlen leicht an. Diese Gruppen müssten gezielt über die PrEP aufgeklärt werden, so Spinner.
Denn unwissentliche Weitergabe bleibt ein Problem. Selbst in Deutschland wisse aktuell etwa jeder zehnte Betroffene noch nichts von seiner HIV-Infektion - mit dem Risiko, das Virus immer wieder weiterzugeben, erklärt Spinner. „HIV wird in erster Linie durch Menschen übertragen, deren HIV-Infektion noch nicht diagnostiziert wurde.“ Zudem sei bei späten Diagnosen die Sterblichkeit höher.
Die erste Welt-Aids-Konferenz fand 1985 statt. „Aids 2026“ soll in Lateinamerika stattfinden.