Berlin (dpa)
Bildet die Ärzte-Statistik zu Behandlungsfehlern die Wirklichkeit ab? Oder zeigt sie nur die Spitze eines Eisbergs? Patientenschützer fordern seit langem ein Zentralregister.
Jährlich werden 688 Millionen Mal Patienten in Deutschlands Arzt-Praxen behandelt und 19 Millionen Mal in Krankenhäusern. 11 800 Beschwerden machen sich da verschwindend gering aus. Und noch kleiner ist die Zahl von 2132 Behandlungsfehlern, die Ärzten tatsächlich nachgewiesen werden konnten. Doch seit langem gibt es Kritik an den Statistiken.
Wo können sich Patienten bei Ärztefehlern hinwenden?
Wenn Patienten das Gefühl haben, bei ihrer Operation sei etwas schief gelaufen, können sie sich für eine außergerichtliche Lösung an die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern wenden. Die größte ihrer Art ist die norddeutsche Schlichtungsstelle in Hannover, an die sich Patienten aus zehn Bundesländern wenden können. Hier finden sie die Expertise von Ärzten, Juristen und Verwaltungsangestellten. Das Schlichtungsverfahren ist für den Patienten kostenlos.
Welche Konsequenz haben Entscheidungen der Schlichtungsstellen?
Die Schlichtungsstellen beurteilen in einem Streitfall mögliche Schadensersatzansprüche des Patienten an die Haftpflicht des Arztes, die Gutachterkommissionen das ärztliche Handeln. Ihre Entscheidungen sind Empfehlungen. Wenn sie dem Patienten nicht gefallen, kann er immer noch den normalen Rechtsweg beschreiten. Die Dauer eines solchen Schlichtungsverfahrens liegt bei 10 bis 12 Monaten. Das Gutachten soll in einer für den Laien verständlichen Sprache verfasst werden. Die Frage, ob die Operation tatsächlich notwendig war, wird bei der Begutachtung in der Regel nicht berücksichtigt.
Gibt es andere Statistiken zu Behandlungsfehlern?
Ja, die Krankenkassen machen ihre eigene Untersuchung. Sie kommt in der Regel einige Wochen später heraus. Die Zahlen liegen höher, bewegen sich aber im Verhältnis zu den mehreren hundert Millionen Behandlungen im Jahr auf einem ähnlichen Niveau. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) hatte im vergangenen Jahr die Zahl der Gutachten wegen Verdachts auf Fehler mit 14 663 angegeben. In 3796 Fällen erkannten die Gutachter einen Behandlungsfehler. Allerdings: Nach den MDK-Zahlen starben die Patienten in 155 Fällen an den Folgen eines Fehlers. 1294 Patienten erlitten einen Dauerschaden.
Was bemängeln die Kritiker der Statistik?
Krankenkassen, Patientenverbände und Opposition vermuten eine hohe Dunkelziffer. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink meint: "Die Behandlungsfehler-Statistik bildet nur die Spitze des Eisbergs ab." Trotz Patientenrechtegesetz von 2012 müsse es für Patienten mehr Beweiserleichterungen vor Gericht geben und für schwerwiegende Schäden einen Härtefallfonds. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der dpa: "Wir brauchen ein bundeseinheitliches Zentralregister für Behandlungsfehler. Es kann nicht sein, dass Ärztekammern, Krankenkassen und Gerichte hier unterschiedlich zählen."
Nutzt die Statistik trotzdem?
Ja. Zwar sind die Kriterien, was ein Fehler ist, nicht einheitlich, und entsprechend sind die Aussagen darüber nur begrenzt realistisch.
Aber grundsätzlich ist es richtig, überhaupt über Fehler zu reden. So banal es klingt: aus Fehlern kann man lernen. Da nun Ärzte - wie andere Spezialisten auch - ungern Fehler zugeben, zumal Sanktionen drohen, ist es gut, auch für Ärzte ein anonymes Fehlermeldesystem einzurichten.