Dublin (dpa)
Das kleine Irland ist 2004 mit einer bahnbrechenden Gesetzgebung zum Vorbild geworden. Am 29. März erließen die Iren als erstes Land ein generelles Rauchverbot. Ganz Europa und andere Staaten folgten.
Im Jahr 2004 drückte die Regierung eine Kulturrevolution durch: In Gaststätten und anderen öffentlichen Räumen darf seit 29. März nicht mehr geraucht werden. Die Raucher tobten, die Gastwirte tobten, die Tabak-Lobby sowieso. Prominente, wie U2-Frontmann Bono, brachen demonstrativ in der Öffentlichkeit den Bann.
Irland stand Kopf - und wurde zum Vorbild für die ganze Welt. Zehn Jahre später gibt es Rauchverbote nicht nur in ganz Europa, sondern auch in Ländern wie Iran oder Bangladesch. Dennoch sind nach einer in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Lancet" veröffentlichten Studie derzeit nur 16 Prozent der Weltbevölkerung durch ein Rauchverbot geschützt, 40 Prozent der Kinder sind demnach noch immer Tabakqualm ausgesetzt. Die Weltgesundheitsorganisation geht von fast sechs Millionen Tabaktoten jährlich aus, mehr als 600 000 davon seien Passivraucher.
Bereits 1983 hatte der damalige irische Gesundheitsminister Barry Desmond einen Bann für blauen Dunst vorgeschlagen. Die vorhangartigen Rauchschwaden in den Musik-Pubs von Dublin oder Kilkenny waren legendär, die gesundheitlichen Auswirkungen allerdings auch. Doch die Rauchergemeinde in Irland wehrte sich 20 Jahre lang entschieden. 2004 schließlich erließ die Regierung für Irland als erstes Land der Welt ein umfassendes Rauchverbot - und stieß damit eine Debatte an, die international bis heute anhält. Jüngst fand ein Team der Universität Maastricht heraus, das Rauchverbote die Zahl der Frühgeburten massiv verringern können.
Der als gesellig beschriebene Ire fürchtete dennoch zunächst um den Pub als sein Biotop. Besonders die - nach Überzeugung von Kritikern von der Tabakindustrie finanzierte - Gruppe Forest Eireann um ihren Sprecher John Mallon ging auf die Barrikaden. "Als das Rauchverbot bekanntgegeben wurden, kam mir sofort in den Sinn: Hier läuft etwas grundlegend falsch", erinnerte sich Mallon später.
"Das Bild vom armen alten Mann, der nach draußen in Kälte und Regen getrieben wird, wenn er seine verdiente Zigarette anzünden will, war sehr stark verbreitet", erinnert sich Professor Luke Clance, Direktor des Tobacco Free Research Institute in Dublin.
Argumentativer Höhepunkt der Debatte seitens der Raucher-Lobby: Wegen des Rauchverbots würden mehr Iren an Vereinsamung sterben als an den Folgen des Tabakkonsums, weil sie im Pub nicht mehr rauchen können und ihr Bier alleine zu Hause trinken müssten.
Derart gewagte Schlussfolgerungen sind heute eher selten geworden.
Eine irisch-britische Untersuchung hat im vergangenen Jahr festgestellt, dass das Rauchverbot in Irland bereits 3700 Menschenleben gerettet hat. "Unsere Studie zeigt, dass der Rückgang der Sterblichkeit vor allem durch die Reduzierung des Passivrauchens zustande kam", sagt Professor Luke Clancy, der an dem Projekt mitgearbeitet hatte. Die Zahl der Schlaganfälle ging um 32 Prozent nach unten, seit der Glimmstengel aus den Pubs verbannt wurde.
In Umfragen liegt die Zustimmung für rauchfreie Pubs regelmäßig bei weit über 70 Prozent. "Tabak ist der tödlichste Konsumartikel, der je auf den Markt gebracht wurde", fast Pat Doorley, Vorsitzender des irischen Royal College of Physicians - einer Art Ärztekammer - die Stimmung zusammen.
Selbst die Gastwirte, die jahrelang das Kneipensterben in Irland auf das Rauchverbot zu schieben suchten, sind inzwischen milder gestimmt. "Wir wollen die Raucher nicht im Pub zurückhaben", sagt der Präsident der irischen Wirtevereinigung VFI, Gerry Rafter, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Er kämpft vielmehr dafür, das Rauchen im Freien in Bahnen zu lenken. "Es gibt Leute, die wollen Zigaretten selbst im Biergarten verbieten", sagt Rafter. "Wir müssen aufpassen, dass wir uns in diesem Land nicht überregulieren."
Die Worte dürften wirkungslos bleiben. Die irische Regierung arbeitet konsequent weiter am Nichtraucherschutz. Bis 2025, so die Vision von Gesundheitsminister James Reilly, soll sein Land komplett tabakfrei sein. "Jedes Jahr sterben in Irland mindestens 5200 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum", sagt Reilly.
Raucher-Lobbyist John Mallon sieht das komplett anders. Es sei "moralisch verwerflich", das Rauchen als etwas Unnormales zu brandmarken. Derzeit ziehen in Irland nach offiziellen Statistiken noch 22 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren regelmäßig am Glimmstängel - Tendenz fallend.