Frankfurt/Main (dpa)
Ein für den Einzelnen maßgeschneidertes Medikament bleibt Science-Fiction. Aber wenn verschiedene Arzneimittel von der Stange zur Auswahl stehen, kommen immer häufiger Vorab-Tests zum Einsatz.
Beispiel Lungenkrebs: Gezielt wirkende Medikamente kommen im fortgeschrittenen Stadium nur für 15 Prozent der Patienten infrage. Beispiel HIV: Ein Medikament hat bei 3 Prozent der damit Behandelten lebensgefährliche Nebenwirkungen. Für beide Präparate gibt es einen Gen-Test, der das vor der Therapie abklärt.
"Personalisierte Arzneimitteltherapie" heißt das Schlagwort, das viele für einen zukunftsweisenden Weg halten. Zweifel aber bleiben: Der Nutzen sei nicht bewiesen, sagen die Kassen.
Individualisierte Medizin sei eines der vielversprechendsten Felder der Gesundheitsforschung, sagte Bundesforschungsministerium Johanna Wanka bei der Vorstellung einen Aktionsplans im vergangenen Jahr. Bis 2016 will das Ministerium bis zu 100 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet stecken.
Laut Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) werden derzeit 30 bis 40 Medikamente personalisiert eingesetzt. Solche Tests können theoretisch drei Arten von Prognosen liefern: wie gut das Medikament bei einem Patienten wirkt, wie gut er es verträgt und wie es am besten dosiert wird.
Die meisten personalisierten Medikamente gibt es laut vfa in der Tumortherapie. "Grundsätzlich halten wir sehr viel davon", sagt Prof. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Für einige Krebsmedikamente seien solche Tests sogar in der Zulassung vorgeschrieben: Sie dürfen nur verordnet werden, wenn ein bestimmtes Zellmerkmal vorhanden ist.
"Es geht darum, dass nur die Patienten das Präparat bekommen, denen es auch wirklich hilft", sagt Wörmann. Allerdings gebe es solche Tests erst für weniger als 20 von weit über 100 Krebsmedikamenten.
Mehr hielte er für wünschenswert, aber nicht alle Wirkmechanismen seien dafür gleich gut dafür geeignet.
Einer der Arzneimittelhersteller, die auf diesem Feld aktiv sind, ist die in Bad Vilbel ansässige Stada AG. Sie arbeitet dafür mit dem Frankfurter Biotechnologieunternehmen Humatrix zusammen. Zusammen vertreiben sie DNA-Tests zur Nachbehandlung von Brustkrebs, bei zu hohem Cholesterinspiegel sowie für Patienten mit erhöhtem Herzinfarkt- und Thromboserisiko.
Neuestes Produkt ist ein Test, "der Ärzten und Patienten bei der Entscheidung hilft, welches von 16 möglichen Antidepressiva am effektivsten wirkt", wie Stadapharm-Geschäftsführer Lothar Guske erklärt. Die Kosten für einen solchen Test - rund 400 Euro - muss der Patient selbst tragen. Tests, die eine teure, aber vielleicht unnötige Krebstherapie verhindern, zahlen Krankenkassen hingegen in der Regel.
Die Kassen haben grundsätzliche Zweifel: Dass solche Tests die Behandlungsqualität wirklich verbessern, sei noch nicht bewiesen. Die bisher vorliegenden Daten zum Nutzen "bleiben insgesamt hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück", heißt es in einem Grundsatzpapier des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen. Manchmal kämen zwei Tests bei ein und der selben Tumorprobe gar zu unterschiedlichen Ergebnissen.