Berlin (dpa)
Sie befinden sich im Teddybär der Tochter oder in der Konservendose mit den Erbsen: Inhaltsstoffe, die wie Hormone wirken und der Gesundheit schaden können. Die Bundesregierung will nun stärker gegen solche Stoffe vorgehen. In einem Fünf-Punkte-Plan, den das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin beschloss, heißt es, dass die sogenannten endokrinen Disruptoren weiter reguliert werden und Bürgerinnen und Bürger besser über die bestehenden Risiken informiert werden sollen.
Die hormonell wirkenden Stoffe können sich in Lebensmitteln, Kosmetik, Spielzeug, Kleidung, Möbeln und praktisch fast allen Alltagsgegenständen befinden. Oft werden sie als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzt und können dann aus der Packung in die Produkte - wie Zahnpasta oder Lebensmittel - eindringen. Und dann gelangen die Stoffe eben auch in den menschlichen Körper und wirken potenziell krebserregend, fortpflanzungsschädigend oder auf die Entwicklung störend. Das ist insbesondere eine Gefahr für Kinder und Jugendliche.
Kinder- und Jugendärzte: „Je höher die Konzentration, desto schädlicher“
Laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte wirken die Stoffe in der Regel auf das Hormonsystem. „Also auf die Schilddrüse, die Hirnanhangsdrüse. Auch die Fortpflanzungshormone können dadurch betroffen sein“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Grundsätzlich rate der Verband vor allem, direkten Kontakt zu Stoffen wie Phthalaten zu vermeiden. Das gelte insbesondere bei Spielzeug für Kinder, das auch in den Mund genommen werde. „Wie immer gilt natürlich auch, je höher die Konzentration, desto schädlicher.“
Doch das ist oftmals gar nicht so einfach, denn für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es kaum möglich, sich selbst vor den Stoffen zu schützen. Selbst wenn sie bereits von den endokrinen Disruptoren gehört und sich informiert hätten, sei in der Regel nicht zu erkennen, ob ein Produkt diese Stoffe enthalte, sagte eine Sprecherin der Verbraucherschutzzentrale. Die Politik müsse die Verbraucherinnen und Verbraucher besser schützen. „Innerhalb der EU ist dringend eine Chemikalienpolitik notwendig, die den vorsorgenden Gesundheitsschutz vor den Profit stellt“, so die Sprecherin. Denn die Gefahr sei sehr hoch. Wenn die Stoffe in sensiblen Entwicklungsphasen beispielsweise auf einen Embryo einwirken, könnten dadurch lebenslange irreversible Schäden ausgelöst werden.
Es braucht eine internationale Zusammenarbeit
Bei der Regulierung dieser Stoffe ist eine internationale Zusammenarbeit unverzichtbar - schließlich machen Chemikalien nicht an Landesgrenzen Halt. Die Bundesregierung unterstützt dem Fünf-Punkte-Plan zufolge die Vorschläge der Europäischen Kommission, mit denen solche Stoffe leichter identifiziert, gekennzeichnet und reguliert werden können. Im Oktober 2020 hat die Europäische Kommission die europäische Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit veröffentlicht - als Beitrag zum Ziel bis 2050 eine schadstofffreie Umwelt zu schaffen (Null-Schadstoff-Ziel). Demnach sollen hormonell schädigende Stoffe in Verbraucherprodukten und gegebenenfalls Produkten für professionelle Anwender besser und auch schneller reguliert werden. Ausnahmen soll es nur für Stoffe geben, deren Verwendung gesamtgesellschaftlich notwendig ist.
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) verwies darauf, dass es für endokrin wirkende Disruptoren bereits verschiedene Regelungen gebe. Dazu würden beispielsweise die Rechtsvorschriften für Pflanzenschutzmittel und für Biozidprodukte zählen, sagte eine Sprecherin. „Basis ist hierfür eine Risikobewertung. Wenn diese Risikobewertung zeigt, dass bestimmte Stoffe nicht sicher verwendet werden können, sollten diese Anwendungen entsprechend beschränkt oder verbesserte Schutzmaßnahmen etabliert werden.“