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#therapy: Pseudopsychologie in sozialen Medien und ihre Folgen

Psychologen und solche, die es gerne wären, tummeln sich in den sozialen Medien wie Instagram oder Tiktok. Sie erzählen, welche Verhaltensweisen man auf welche psychischen Krankheiten zurückführen könnte. Das hört sich gefährlich an - bietet aber auch Chancen.

Berlin (dpa)

Sind Sie manchmal unkonzentriert? Finden Sie oft blaue Flecken an sich, weil Sie immer wieder gegen Möbel stoßen? Und blödeln Sie manchmal herum? Tja, dann wird das vermutlich ADHS sein. Solche und ähnliche pauschale Diagnosen werden in bestimmten Filterblasen in sozialen Medien wie Instagram oder Tiktok exzessiv vergeben. „Das ist aktuell ein großes Thema“, sagt der Medienpsychologe Joachim Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. „Mir werden solche Angebote ständig um die Ohren gehauen.“

Sucht man etwa nach dem Stichwort „Psychologie“ auf Instagram, werden auf Anhieb Dutzende Profile angezeigt. Erweitert man die Suche auf die englischsprachige Welt, sind es noch viel mehr, mit teilweise Hunderttausenden Abonnenten. Die Psychologin Angelina Hahn nimmt ein sehr diverses Angebot an therapeutischen Inhalten wahr. „Es gibt gute Therapeuten und Ärzte, die Themen rund um psychische Gesundheit der breiten Masse verfügbar machen. Es gibt aber auch Laien, die das vielleicht gerade erst studieren“, sagt sie im Vorfeld des Welttages der seelischen Gesundheit am 10. Oktober.

Zwei Psychologen haben klare Positionen dazu

Was sich nach dummem Internetgequatsche anhört, muss es nicht immer negativ sein. „Ich finde es ist eine großartige Sache, dass mehr über psychische Krankheiten gesprochen wird, und vor allem junge Menschen für diese Themen sensibilisiert werden“, sagt Schmidt. Auch Hahn sieht das ähnlich. „Ich finde es schön, dass das Thema auf diese Weise den Menschen zugänglich gemacht wird. Bei der älteren Generation wäre das vielleicht noch ein Tabu.“ Solche Angebote reduzierten ihrer Meinung nach auch die Hemmschwelle, sich echte Hilfe zu suchen. „Und: Ich denke es gibt den Menschen das Gefühl, dass sie nicht alleine sind.“

Denn: Im Netz geht es natürlich nicht nur um ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung), weiß Schmidt. „Depression, Narzissmus, Ängste: Das sind Diagnosen, die in solchen Beiträgen oft vorkommen.“ Das liege seiner Ansicht nach auch daran, dass solche Krankheitsbilder auf den ersten Blick vermeintlich einfacher erkennbar seien. „Und viele Menschen meinen, Ahnung von psychischen Krankheiten zu haben.“

Keine Patentlösung für psychische Leiden

Ebenso wie man mit seinen Leiden nicht alleine bleiben müsse, sei auch Vorsicht bei Selbstanalysen geboten, so der Psychologe. „Bei meinen Klienten stelle ich immer wieder fest, dass sie sich die Infos aus Social Media besorgen und dann versuchen, es auf ihr eigenes Empfinden anzuwenden“, sagt Schmidt. „Selbstdiagnosen sind aber zweifelhaft bis gefährlich und oft nicht passend.“ Wie auch in anderen medizinischen Fragen setze die Diagnose einer psychischen Erkrankung viel Wissen und Handwerkszeug voraus. Es gebe auch keine Patentrezepte, da sich gerade psychische Krankheiten auch sehr individuell ausprägen können. „Viele Ratgeber werden der Komplexität eines Krankheitsbildes nicht gerecht.“

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen rät, die Profile genau zu überprüfen. „Wer gibt die Informationen heraus, welche Interessen können damit verbunden sein, wie seriös und vertraulich ist die Quelle und wie vollständig wird informiert?“, sagt Verbandspräsidentin Thordis Bethlehem. Sie mahnt zur Vorsicht: Menschen sähen in Krisen kaum eigene Stärken, Ressourcen und Chancen. Der Fokus auf Belastungen, Probleme und Defizite aber mache sie empfänglich für Selbstdiagnosen. Therapie „aus der Gießkanne“ werde dem, was Menschen brauchen, eben nicht wirklich gerecht.

Psychische Krankheiten sind kein Randphänomen

In Deutschland seien jedes Jahr etwa ein Viertel der erwachsenen Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Von diesen 17,8 Millionen Menschen nähmen demnach aber nur rund ein Fünftel (18,9 Prozent) Kontakt zu entsprechenden Experten auf. Den Zahlen von diesem Jahr zufolge gehören Angststörungen, affektive Störungen wie etwa Depressionen sowie Störungen durch Alkohol- und Medikamentenkonsum zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Menschen mit psychischem Leiden haben statistisch gesehen eine um zehn Jahre geringere Lebenserwartung.

Während der „Woche der Seelischen Gesundheit“ vom 10. bis 20. Oktober macht ein Aktionsbündnis auf die Bedeutung des Themas aufmerksam. Die Themenwoche sei ein Aufruf, psychische Belastungen bei sich selbst und bei den Menschen im eigenen Umfeld ernstzunehmen, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Schirmherr der Aktionswoche, in einem Grußwort. Rund 500 Präsenz- und Onlineveranstaltungen im Rahmen der Themenwoche machen auf bestehende Hilfsangebote aufmerksam. Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit will mit der Woche unter dem Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“ vor allem auf Ängste in Krisenzeiten eingehen. In der Aktionswoche solle die Hemmschwelle gesenkt werden, „bei Ängsten in Krisenzeiten Hilfe und Unterstützung zu suchen und anzunehmen“, so Lauterbach.

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