Berlin (dpa)
Es ist ein unscheinbares Bändchen mit einem schwarzen Hundekopf, das immer mehr Metalfans am Handgelenk tragen. Anhänger der mitunter düsteren Musik tragen damit aber nicht die Erinnerung an vergangene Open Airs am Arm. Sie setzen vielmehr ein Zeichen gegen Depressionen - weil sie daran erkrankt sind und sich nicht verstecken wollen oder anderen helfen möchten. Wolfgang Rduch ist der Erfinder und überrascht von der Nachfrage. „Wir kommen nicht hinterher mit dem Nachliefern.“ Er ist selbst erkrankt. Für ihn sind die Bändchen so etwas wie eine Therapie. Sie sollen nun auch anderen helfen.
Rduch muss sich gelegentlich Fragen anhören, weshalb ausgerechnet Metalfans depressiv werden. Das hängt nicht zuletzt mit Klischees zusammen. Mancher denkt ans Wacken Open Air in Schleswig-Holstein, wo Fans bei Heavy-Metal-Konzerten mitgrölen, bis sie heiser sind. Die Stimmung ist ausgelassen. Gefeiert wird bei Bier die ganze Nacht. Harte Jungs und Mädels eben.
„Nach außen wirken wir stark, taff und hören brutale Musik. Wobei man sagen muss, die Musik handelt sehr oft von Depressionen“, sagt Rduch der Deutschen Presse-Agentur. „Die Menschen gehen aber liebevoll miteinander um, sind sehr herzlich und emotional, was man sonst gar nicht denkt.“ Das wirke von außen natürlich nicht so.
In der Metal-Szene sind Depressionen durchaus verbreitet. Damit beschäftigt sich eine Untersuchung des Psychologen Nico Rose. Er hört Metal und hat vor mehr als einem Jahr 6000 Fans online befragt. Ein Ergebnis: Die Befragten hätten eine erhöhte Neigung zu Ängsten und Anspannung gezeigt. „Die Daten lassen vermuten, dass Depressionen in der Population der Metalfans eine größere Rolle spielen könnten als in der Allgemeinbevölkerung.“ Fachleute sagen, dass Menschen mit bestimmten Charakterzügen anfälliger für Depressionen seien.
Die Krankheit könne jeden treffen, der eine entsprechende Veranlagung hat, sagt der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Ulrich Hegerl – „unabhängig von Alter, Beruf oder gar Musikgeschmack“. Diese Veranlagung kann nach seinen Angaben vererbt oder durch Traumatisierung und Missbrauchserfahrungen in der frühen Kindheit erworben sein. „Menschen mit dieser Veranlagung erkranken, auch wenn es ihnen von außen betrachtet eigentlich gut geht.“
Der Psychologe Rose sieht deshalb auch keinen Widerspruch, dass „Metaller an sich ein recht glückliches Völkchen“ seien und trotzdem erkrankten. „Wenn man recherchiert, wie viele Metalmusiker an Depressionen leiden, gelitten haben oder sich das Leben nahmen, tut sich ein wahrer Abgrund auf“, schreibt Rose in seinem Buch „Hard, Heavy & Happy“, in dem er die Metal-Szene beleuchtet, darin mit Klischees aufräumt - und für das Bändchen gegen Depressionen wirbt.
Die Idee entwickelte der Verein Metality, ein Netzwerk von Metalfans aus dem In- und Ausland. Der Anstoß für das Bändchen mit dem „Black Dog“ (zu Deutsch: schwarzer Hund) sei von Mitgliedern gekommen, die selbst erkrankten. „Am Anfang waren wir unsicher und wollten das Bändchen erst einmal auf einem Festival wie Wacken testen“, sagt Sprecher Udo Röbel. Es sei „uns aus den Händen gerissen“ worden.
Rund 7500 Stück seien schon produziert worden, sagt Rduch. Nach dem Start im August laufen die Überlegungen bereits für das nächste Jahr. „Wir planen neben Wacken noch andere Festivals“, so der 44-Jährige. Therapeuten und Ärzte hätten bereits Kooperationen angeboten. Zunächst wolle der Verein aber herausfinden, in welcher Größenordnung zum Beispiel Kooperationen überhaupt möglich seien.
Zuallererst wollen die Macher des Bändchens ein Zeichen damit setzen. Immerhin ist die Metal-Szene groß. Rose verweist in seinem Buch auf Statistiken, wonach etwa sieben Millionen Menschen in Deutschland gern Metal und Hard-Rock hören. Das Bändchen sei ein „visueller Anreiz, das Tabu-Thema Depression aus der Grauzone herauszuholen, zu sagen: Man muss sich nicht dafür schämen“, erläutert Erfinder Rduch, der als Betreuer in einer Tagespflege arbeitet und früher Anwalt war.
Die Depression hat er nach eigenen Angaben noch nicht überwunden. „Es gibt immer noch Phasen, die ganz schlimm sind. Allerdings habe ich die deutlicher besser im Griff“, sagt er. Mit den Tiefs müsse er umgehen. „Es ist eine Krankheit, die sehr viele Menschen haben.“
Jeder fünfte Deutsche ist nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe im Laufe des Lebens von einer Depression betroffen. In der Regel dauere es 20 Monate, bis sich Betroffene Hilfe suchten. Nicht alle gehen offen damit um. Anders als ein gebrochenes Bein oder ein blasses Gesicht bei Unwohlsein lassen sich Depressionen verstecken.
Laut Hegerl nimmt das Wissen über die Erkrankung zu, was wichtig für die Akzeptanz ist. Er verweist dabei auf das Deutschland-Barometer Depression seiner Stiftung: „Immer weniger halten Depression für ein Zeichen von Charakterschwäche“, sagt er. 2018 seien es noch 30 Prozent gewesen, dieses Jahr 26 Prozent. Doch: Noch 18 Prozent der Deutschen glaubten, dass Schokoladeessen bei Depression hilft.