Phnom Penh (dpa)
Menschen mit Behinderungen kämpfen täglich gegen die Vorurteile der Gesellschaft - auch in Kambodscha. Mit Tanzprojekten und Aufklärung will eine Nicht-Regierungsorganisation das ändern.
Manchmal ist es einfach eine Frage der Ausrüstung und der richtigen Technik. „Anfangs war es schwer, den Rollstuhl dazu zu bringen, das zu tun, was ich will“, sagt Sakun Po. „Damals hatte ich nicht den richtigen Tanz-Rollstuhl. Er war zu groß, und das Rumdrehen war schwierig. Aber jetzt habe ich den Richtigen.“ Damit tanzt der 32-Jährige auf Bühnen in Großbritannien, Singapur und Thailand, um Spenden für die kambodschanisch-britische Nicht-Regierungsorganisation (NGO) Epic Arts zu sammeln, die in Kambodscha mit Menschen mit Behinderungen arbeitet.
Unter dem Namen Epic Encounters bietet ein Ableger der NGO in der südöstlichen Stadt Kampot einen zweijährigen Inklusionskurs für darstellende Künste wie Tanz und Theater, aber auch Musik, bildende Kunst sowie Lese- und Schreibunterricht an. Zudem gibt es Seminare für Kinder mit geistigen Behinderungen wie dem Down-Syndrom oder Autismus. Epic Arts nimmt auch Aufträge für Sonderprojekte an, etwa von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die erst kürzlich ein Tanzprojekt zu geschütztem Sex sowie ein Ausbildungsvideo für Mediziner finanzierte. Sakun hat bei beiden mitgemacht.
Als Kind hatte Sakun Polio und ist seitdem an den Beinen gelähmt. Bei dem Kurs von Epic Encounters lernte er unter anderem, seinen Körper auf neue Art und Weise zu bewegen. Erst kürzlich war er zusammen mit fünf gehörlosen Tänzern bei einer Vorstellung im Nationalmuseum in Phnom Penh zu sehen, wo die Truppe durch das Medium des Ausdruckstanzes Szenen aus dem ländlichen Leben Kambodschas auf die Bühne brachte. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt aber inzwischen in der Aufklärung. Mit Workshops will er gegen überkommene Vorurteile angehen, die Menschen mit Behinderungen als minderwertig ansehen.
Laut der UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (UNESCAP) lebt in der Region jeder Sechste mit einer Behinderung. Nach Jahrzehnten von Bürgerkriegen von den 1970er bis zu den 1990er Jahren ist die Zahl in Kambodscha womöglich noch höher, weil die Gewalt und Millionen von Landminen sowohl psychische als auch geistige Narben in der Bevölkerung hinterlassen haben.
Dennoch sitzen die Vorurteile gegen Menschen mit Behinderungen tief - vor allem auf dem Land und bei der älteren Generation, in der es noch viele Theravada-Buddhisten gibt, die an Reinkarnation glauben. Nach Angaben des Zentrums für ein unabhängiges Leben in Phnom Penh sehen viele von ihnen eine Behinderung als Strafe für einen Fehler, der in einem vergangenen Leben begangen wurde und ihnen ein schlechtes Karma gegeben habe. Deshalb würden viele Menschen mit Behinderungen nicht zur Schule geschickt oder in der Öffentlichkeit an den Rand gedrängt.
Viele hätten auch Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, heißt es in einem Bericht des Zentrums von 2015.
Sakun weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, in Kambodscha mit einer Behinderung aufzuwachsen. Als kleiner Junge glaubte er selbst, er habe seine Lähmung verdient, und wurde von seinen Mitschülern verspottet. „Sie haben mich nicht beim Namen genannt, sondern nur mit meiner Behinderung identifiziert“, erklärt er. Epic Arts will diese Einstellung ändern - Dorf für Dorf.
„Einige unserer Künstler haben Behinderungen. Das zeigt den Gemeinden, dass man auch mit einer Behinderung etwas werden und ein erfolgreiches Leben führen kann“, sagt Epic-Arts-Pressechefin Hayley Holden. Kinder, die vielleicht noch nie einen Menschen mit einer Behinderung getroffen hätten, würden so früh eine positive Erfahrung machen, die ihre spätere Einstellung beeinflussen könne.