München (dpa)
„Wasch dir die Hände.“ Wie oft haben die Eltern damit genervt, als wir klein waren. Aber sie hatten doch recht. Über die Hände werden Erreger weitergegeben - und es geht nicht nur um Schnupfen. Vor allem in Praxen und Krankenhäusern ist das ein Thema.
Endlich - aus dem Wartezimmer vorgerückt zum Arzt. Doch der nimmt die ausgesteckte Hand nicht. Händeschütteln, so erklärte der Mediziner, sei besonders in Grippezeiten nicht angesagt.
Auch wer selbst erkältet ist und die Hand ausschlägt, verstößt heute nicht gegen die guten Sitten. Ärzte raten sogar zur „Hust – oder Nieshygiene“: Man hustet und niest nicht mehr in die vorgehaltene Hand, sondern in die Ellenbeuge. Erreger werden aber nicht nur durch den Handschlag übertragen. Sie kleben an Türklinken, Telefonhörern, Tastaturen, Haltegriffen in Bussen - überall, wo Menschen hinfassen. Die Hände sind ein wesentlicher Übertragungsweg für Keime.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den 5.5. zum Welttag der Handhygiene ausgerufen. Das Datum symbolisiert zwei Mal fünf Finger des Menschen. Vor allem in Kliniken bleiben die Hände ein gefährlicher Übertragungsweg.
Rund 10 000 bis 15 000 Todesfälle gehen nach Schätzungen in Deutschland jährlich auf Krankenhausinfektionen zurück, die sich Patienten erst in der Klinik holen. „Ein Drittel wäre durch mehr Hygiene vermeidbar“, sagt Petra Gastmeier, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für Surveillance von nosokomialen Infektionen.
Zwar hätten sich die Hygienebedingungen erheblich verbessert. In drei von vier Fällen hielten Ärzte und Schwestern die Regeln ein, ergänzt die Hygieneärztin unter Verweis auf regelmäßige Qualitätskontrollen. Zugleich aber habe sich die Zahl der Eingriffe erhöht, nicht zuletzt durch minimalinvasive Methoden. Katheter, Infusionen und Beatmungsgeräte seien ebenfalls Einfallstor für Keime, wenn Ärzte oder Pfleger die Hände nicht genügend desinfiziert haben.
Zu den häufigsten Krankenhausinfektionen gehören Lungenentzündungen, Harnwegs- und Wundinfektionen sowie Sepsis, die in diesem Jahr im Mittelpunkt der Kampagne steht. Nach Angaben der Sepsis Stiftung sterben jährlich 70 000 Menschen in Deutschland an Blutvergiftung.
Schuld seien hier oft nicht einmal fremde Keime aus der Umgebung, sagt Hygieneexpertin Gastmeier, die an der Charité in Berlin arbeitet. „Wir haben in unserem Körper zwei Kilo Bakterien, im Darm und auf der Haut. In dem Moment, in dem das Immunsystem geschwächt ist, können sie sich ausbreiten.“ Je länger beispielsweise ein Katheter liege, desto höher sei das Risiko dafür.
Die vom NRZ mitgetragene nationale Kampagne „Aktion Saubere Hände“ setzt sich seit zehn Jahren für eine bessere Einhaltung der Hygieneregeln in Gesundheitseinrichtungen ein, wendet sich aber auch an die Öffentlichkeit. „Unser Ziel ist es, die Aufmerksamkeit für das Thema zu steigern“, sagt Gastmeier.
Denn nicht nur in Kliniken kann Hygiene Infektionen verhindern. Gastmeier schätzt, dass 20 bis 30 Prozent der Erkältungs- und Durchfallerkrankungen so vermieden werden könnten. Mehrere Studien gerade in Kindergärten hätten gezeigt, dass die Kleinen deutlich weniger krank seien, wenn frühzeitig aufs Händewaschen vor dem Essen und nach dem Toilettengang geachtet werde. Bei Grippe ersetze die Handhygiene nicht die Impfung, sei aber eine wichtige Ergänzung.
In manchen Kliniken schütteln Ärzte nicht mehr immer die Hand. „In der Schön Klinik verzichten wir auf unnötiges Händeschütteln wie bei Begrüßung oder Visite“, sagt Sprecher Hartmut Kistenfeger. Dies sei neben der Hygiene ein zusätzlicher Baustein. Die Versorgung der Patienten erfordere aber weiter Handkontakte; die Hand gereicht werde auch, wenn Patienten besondere Fürsorge und Zuwendung benötigten.
„In bestimmten Situationen kann es sinnvoll sein, auf das Händeschütteln zu verzichten“, sagt auch der Leiter der Stabstelle Krankenhaushygiene am Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München, Friedemann Gebhardt. Ansonsten gelte: „Man kann durchaus Hände schütteln.“ Auch im Krankenhaus. Ein gesellschaftliches Ende des Händedrucks sehen die Experten nicht.
Studien zeigen Gebhardt zufolge den Erfolg der langjährigen Hygienemaßnahmen. An die 50 Mal am Tag müssen Ärzte und Schwestern zur Desinfektion greifen, schätzt er. In einigen Fällen sind besondere Mittel nötig, in anderen müssen die Ärzte zusätzlich Seife nutzen. 30 Sekunden soll die Desinfektion einwirken - in der Hektik des Klinikalltags oder bei Notfällen kann das eine lange Zeit sein.
Viele Erreger lauern auch im Haushalt - ohne Kontakt nach außen oder zu kranken Menschen. Keime, die auf fast allen Lebensmitteln zu finden sind, können zum Auslöser von Durchfall, Erbrechen und Fieber werden. Auf Salat können Coli-Bakterien sitzen, Salmonellen drohen bei Eiern; teils multiresistente Keime wurden vor allem an rohem Geflügelfleisch entdeckt, obwohl in den Ställen weniger Antibiotika verfüttert werden als früher. Deshalb heißt es sogar in der heimischen Küche: Hände waschen. Nicht nur vor dem Essen, wie die Eltern immer mahnten. Sondern, so rät Gastmeier, schon beim Kochen und Schnipseln - und sogar zwischen den Schritten der Küchenarbeit.