Washington (dpa)
Kaum etwas wird in den USA so aufgeladen diskutiert wie Abtreibungen. Nun stuft der Oberste Gericht überraschend strenge Regeln aus Texas als verfassungswidrig ein. Das hat Bedeutung für das ganze Land.
Rückschlag für Abtreibungsgegner: Das oberste amerikanische Gericht hat die strengen Zulassungsregelungen für Ärzte und Einrichtungen in Texas für verfassungswidrig erklärt. Das entschied der Supreme Court am Montag mit fünf zu drei Stimmen. Das Gesetz aus dem Jahr 2013 hatte dazu geführt, dass etliche Abtreibungseinrichtungen schließen mussten.
Es war die erste Entscheidung des Supreme Courts seit neun Jahren zu dem Thema. Befürworter sprachen von einem Meilenstein. Das Urteil hat Bedeutung über Texas hinaus, weil es solche oder ähnliche Zulassungsbeschränkungen auch in anderen Bundesstaaten gibt.
Das Gesetz schaffe „unzumutbare Belastungen“ für Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen wollten, schrieb Richter Stephen Breyer.
Richterin Ruth Bader Ginsburg erklärte, die Bestimmungen könnten dazu führen, dass verzweifelte Frauen auf illegale Praktiken zurückgreifen müssten, was ein großes Risiko für ihre Gesundheit sei.
Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen wollten, mussten nach dem texanischen Recht eine Zulassung an einer Klinik haben, die nicht mehr als 30 Meilen von ihrer Einrichtung entfernt ist. Außerdem mussten die Gebäude baulich und in Fragen der Ausstattung wie vollständige Krankenhäuser eingerichtet sein, auch wenn es bei der konkreten Behandlung oft nur um das Verabreichen einer Pille danach geht.
Der Bundesstaat begründete das Gesetz damit, die Gesundheit der Frauen schützen zu wollen.
Die Gegner führten an, dass die Freiheit zur Abtreibung grundsätzlich von der US-Verfassung geschützt sei - daher die Klage vor dem Supreme Court. Sie kritisierten, dass ihrer Ansicht nach Abtreibungen unter dem neuen Recht für mehr als fünf Millionen Frauen im gebärfähigen Alter kaum noch möglich seien.
Von rund 40 Einrichtungen in dem Staat mussten etwa 20 schließen, weil sie die Bestimmungen nicht erfüllen konnten. Weiteren drohte das Aus. Helferinnen berichten, das Gesetz habe dazu geführt, dass vergewaltigte Frauen abgewiesen werden mussten.
Zu den Gegnern zählte auch die US-Regierung. Präsident Barack Obama erklärte am Montag: „Ich bin froh darüber, dass der Supreme Court die Rechte und die Gesundheit von Frauen schützt.“ Die wahrscheinliche demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton bezeichnete die Entscheidung als Sieg für Frauen im ganzen Land.
Greg Abbott - republikanischer Gouverneur von Texas - reagierte enttäuscht: „Die Entscheidung höhlt das Recht der Staaten aus, die Sicherheit und Gesundheit von Frauen zu schützen und führt dazu, dass weitere unschuldige Leben aufs Spiel gesetzt werden.“
Das Thema Abtreibungen ist in den USA sehr aufgeladen und wird oft unversöhnlich diskutiert. 1992 bekräftigte der Supreme Court, dass die freie Entscheidung dazu vom 14. Zusatz der US-Verfassung geschützt wird.
Das Oberste Gericht ist nach dem Tod des langjährigen Richter Antonin Scalia im Februar nicht vollständig besetzt. Die verbliebenen acht Richter lassen sich von ihren politischen Einstellungen her in zwei Lager einteilen: Vier konservative Richter stehen vier liberalen Richtern gegenüber. Das Urteil vom Montag ist in dieser Hinsicht beachtlich. Das Zünglein an der Waage gab letztendlich die Stimme des Richters Anthony Kennedy, der sich dem linken Block anschloss.