Berlin (dpa)
Zur Bundestagswahl rückt die Private Krankenversicherung wieder ins Visier von SPD, Grünen und Linkspartei. Sie wollen sie abschaffen. Eine Studie aus der Gewerkschaftsecke warnt vor Jobverlusten.
Bei Einführung einer gesetzlichen Bürgerversicherung droht bei der Privaten Krankenversicherung (PKV) ein massiver Verlust an Arbeitsplätzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Eine solche von SPD, Grünen und Linken favorisierte gesetzliche Krankenversicherung für alle würde je nach Ausstiegsszenario dazu führen, dass in der PKV zwischen 22 700 und 51 000 Stellen abgebaut werden müssten.
Dieser Stellenabbau entspräche einer Größenordnung von etwa dem Drei- bis Sechsfachen der bei Kaiser's Tengelmann bedrohten Belegschaft.
Dort mussten den Angaben zufolge zeitweise bis zu 8000 der 15 000 Mitarbeiter mit Entlassung rechnen. Die Studie geht von etwa 68 000 Beschäftigten (2014) im Bereich der PKV aus. Die Verluste lägen also zwischen knapp einen Drittel und rund drei Vierteln der Jobs bei privaten Krankenversicherern, wie auch deren Betriebsräte mit ihrer Initiative «Bürgerversicherung? Nein danke!» unterstrichen.
Darüber hinaus drohten weitere Jobverluste in angrenzenden Bereichen wie Arztpraxen. Der PKV-Verband wies wiederholt darauf hin, dass mit jedem einzelnen Arbeitsplatz in der PKV weitere 4,6 Arbeitsplätze verbunden seien. Die Studie des IGES Instituts geht dabei davon aus, dass diese Arbeitsplätze in der PKV nur zu einem geringen Teil durch Beschäftigung in anderen Bereichen wie der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgefangen werden könnten.
Der Sprecher der Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, wies am Donnerstag darauf hin, dass es sich bei den Szenarien um Beispielrechnungen handle. Auf jeden Fall müsste ein solcher Strukturwechsel von der Politik sozialverträglich gestaltet werden.
Ein Wechsel in eine Bürgerversicherung würde nach der Studie möglicherweise Beitragssenkungen zwischen einem und drei Prozentpunkten bringen. Jung wies zudem auf die derzeitigen Schrumpfungstendenzen bei der PKV hin. Es wechselten mehr Versicherte aus der PKV in die GKV als umgekehrt. In der PKV sind rund neun Millionen Menschen versichert.
Im Wahljahr 2017 muss sich die PKV wieder auf Angriffe aus SPD und Opposition einstellen. Sie kritisieren in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin. Der für Gesundheitspolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach kündigte bereits an, dass für seine Partei die «paritätische Bürgerversicherung» ein Riesenthema werde.
Ähnlich wollen Grüne und Linke eine gesetzliche Krankenversicherung von allen für alle. Zur Finanzierung werden alle Einkommen herangezogen - neben den Löhnen, Gehältern und Renten auch die Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Gewinne.
Der CDU-Abgeordnete Thomas Stritzl hielt der SPD vor, bisher nicht konkret erläutert zu haben, «was die Bürgerversicherung wirklich bringen soll und wo die tatsächlichen, nachhaltigen Verbesserungen liegen». Er forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel auf, die Debatte um eine Bürgerversicherung in seiner Partei zu stoppen. Stritzl sagte der dpa, wenn der Wirtschaftsminister seine Glaubwürdigkeit in dieser Frage behalten wolle, müsse er auch in dieser Frage gleiches Maß halten wie im Fall Tengelmann.
Der PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach sagte der dpa: «Der Wettbewerb von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung garantiert eine Versorgung, die weltweit ihresgleichen sucht. Ein Blick ins Ausland zeigt: Einheitssysteme schneiden im Vergleich mit unserem dualen System viel schlechter ab - mit Wartezeiten bis zu sechs Monaten auf Arzt- und Operationstermine, mit eingeschränktem Zugang zu Ärzten und mit massiv begrenzten Leistungen.»
Eine ähnliche Studie, die 2013 im Gewerkschafts-Auftrag erstellt wurde, hatte den Angaben zufolge ein noch deutlicheres Ergebnis und sorgte im Gewerkschaftslager für enormes Aufsehen.