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SPAHN: EIGENANTEIL FÜR HEIMPFLEGE DECKELN - TARIF FÜR PFLEGEKRÄFTE

Gesundheitsminister Spahn läutet ein Jahr vor der Bundestagswahl eine neue Reformrunde in der Pflege ein: Entlastung für Pflegebedürftige, mehr Geld für Pflegekräfte. Kosten: Sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Berlin (dpa)

Gesundheitsminister Spahn läutet ein Jahr vor der Bundestagswahl eine neue Reformrunde in der Pflege ein: Entlastung für Pflegebedürftige, mehr Geld für Pflegekräfte. Kosten: Sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mit einer Reform Pflegebedürftige und ihre Angehörigen finanziell entlasten und für Pflegekräfte Tariflöhne durchsetzen. „Mein Vorschlag ist, dass Heimbewohner für die stationäre Pflege künftig für längstens 36 Monate maximal 700 Euro pro Monat zahlen“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“. „Das wären maximal 25 200 Euro. Zwar bleibt die Pflegeversicherung auch dann eine Teilkaskoversicherung. Aber der Eigenanteil wird berechenbar.“

Spahn begründete die geplante Deckelung mit den steigenden Kosten. Seit 2017 sei der monatliche Eigenanteil für die stationäre Pflege um durchschnittlich 238 Euro gestiegen. Der Eigenanteil für die reine Pflege lag zuletzt im Schnitt bei 786 Euro im Monat. Zuzüglich weiterer Kosten - etwa für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen der Heime - waren insgesamt im bundesweiten Schnitt zuletzt 2015 Euro pro Monat fällig, wie aus Daten des Verbandes der Ersatzkassen (Stand 1. Juli) hervorgeht. Dabei gibt es große regionale Unterschiede.

Pflegeheime will Spahn dazu bringen, ihre Mitarbeiter besser zu entlohnen: „In der Pflege sollte mindestens nach Tarif bezahlt werden“, sagte er der Zeitung. Deshalb schlage er vor: „Um mit der Pflegeversicherung Leistungen abrechnen zu können, muss ein Pflegeheim oder ein Pflegedienst die Mitarbeiter in Zukunft nach Tarif bezahlen.“ Grundlage könne ein Haus- oder ein Branchentarifvertrag sein.

Für Hunderttausende Pflegekräfte bedeute dies deutlich mehr Gehalt: „Aufgrund des Fachkräftemangels sitzen die Pflegekräfte bei den Tarifverhandlungen am längeren Hebel.“ 2018 hätten nur 40 Prozent der Pflegeheime ihre Angestellten nach Tarif bezahlt, bei den ambulanten Pflegediensten seien es nur 26 Prozent gewesen. Spahn sagte: „Auch Urlaubsansprüche und Sonderzahlungen fallen deutlich geringer aus als angemessen. Das muss sich ändern.“

Nach Spahns Worten wird die Pflegereform rund sechs Milliarden Euro pro Jahr kosten. „Ganz grob kann man sagen: Die Deckelung der Eigenanteile macht rund drei Milliarden Euro aus, die bessere Bezahlung der Pflegekräfte rund zwei Milliarden, die Leistungen für die Pflege zu Hause etwa eine Milliarde.“

Finanzieren will Spahn seine Reform über Steuermittel. Da die - von Union und SPD getragene - Bundesregierung zugesichert habe, dass die Lohnnebenkosten nicht über 40 Prozent steigen sollten, komme eine Beitragserhöhung nicht in Frage, sagte Spahn - offensichtlich indirekt auch an Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gerichtet.

Der Vorstandsvorsitzende der gesetzlichen Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, begrüßte den Vorschlag für eine solidarische Neuausrichtung der Pflegeversicherung. Die Finanzierung dieser Maßnahmen dürften nicht zu Lasten der Pflegeversicherten und der Pflegekassen gehen, sondern müssten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln kommen.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, verlangte, die Pflegeversicherung müsse „endlich zukunftssicher werden und alle Kosten für die reine Pflege tragen“. Denn bei genauem Hinsehen, fielen Spahns „Vorschläge eher dürftig aus“, sagte er der dpa. Dem Vorschlag, den Pflegeanteil im Heim auf monatlich 700 Euro zu begrenzen und nach drei Jahren wegfallen zu lassen, stehe gegenüber, dass in der Hälfte der Bundesländer dieser Höchstbetrag nicht erreicht werde. „Zudem sterben ein Drittel der Heimbewohner nach drei Monaten, und 60 Prozent sind nach zwölf Monaten tot. Es gibt also kaum Pflegebedürftige die drei Jahre im Heim leben.“

Die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Alten- und Pflegepolitik, Kordula Schulz-Asche, mahnte, es werde Zeit, dass Spahn das Problem der Pflege-Eigenanteile angehe. Der Vorschlag greife aber zu kurz. Bei 786 Euro Eigenanteil an der reinen Pflege würden viele Pflegebedürftige die Entlastung kaum spüren. Die Gefahr, in die Sozialhilfe abzurutschen, bestehe weiter.

Die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Westig, erklärte: „Wenn Minister Spahn bei der Reform der Pflegefinanzierung dauerhaft auf einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt setzt, ist das ein Offenbarungseid. Soeben hat der Bundestag einen Rekord-Schuldenhaushalt beschlossen.“ Statt einzelne Generationen gegeneinander auszuspielen, «sollte Spahn den Menschen ehrlich sagen, dass es mehr privater Zusatzvorsorge für die Pflege bedarf».

Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) begrüßte Spahns Vorschlag. „Baden-Württemberg setzt sich schon lange dafür ein, dass die Pflegeversicherung grundlegend reformiert und die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen gegen eine finanzielle Überforderung aufgrund steigender Eigenanteile geschützt werden.“

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