Mannheim (dpa)
Ermittler im Uniklinikum, Berichte über unhygienische Zustände im OP: In Mannheim wirft ein Hygieneskandal Licht auf die Schattenseiten der deutschen Krankenhauslandschaft.
Mannheim (dpa) - Wer als Patient in den OP geschoben wird, braucht viel Vertrauen - in den Arzt, der das Messer ansetzt, und in die Sauberkeit eben dieses Messers. Ein Hygieneskandal am Uniklinikum Mannheim erschüttert dieses Vertrauen. Es geht um unappetitliche Details wie eine Fliege im OP-Besteck und Gerätschaften, die schmutzig aus der Reinigung gekommen sein sollen. Jetzt hat der Geschäftsführer des Klinikums, Alfred Dänzer, seinen Rücktritt eingereicht. Doch damit ist die Affäre nicht ausgestanden - es bleibt die Frage nach den Ursachen. Ist Mannheim ein Einzelfall?
Der Frankfurter Experte für Krankenhaus-Hygiene, Christian Brandt, sieht ein generelles Problem in der deutschen Kliniklandschaft. "Auf der einen Seite wollen und müssen im Gesundheitswesen alle immer Geld sparen", sagt er. "Auf der anderen Seite wird die Aufbereitung des OP-Bestecks immer komplexer. Da hat der Gesetzgeber in den letzten 10, 15 Jahren die Schrauben stark angezogen." Mitarbeiter in der Sterilisation müssten sehr gut geschult sein und wissen, was sie mit den blutverschmierten Geräten tun. Im Mannheimer Fall waren nicht alle Reinigungsleute ausreichend geschult, wie die Klinik eingestand.
Hygieneprobleme an Krankenhäusern seien keine Seltenheit, sagt der Bereichsleiter Betriebs- und Branchenpolitik der Gewerkschaft Verdi, Niko Stumpfögger. Allerdings betreffe das meist nicht den OP. "Im OP-Bereich wird noch am ehesten geguckt, dass die Reinigungsqualität eingehalten wird, weil es dort so besonders wichtig ist." Es gebe an Krankenhäusern aber einen Trend, die Reinigung auszulagern, um Geld zu sparen. "Dann sind unterschiedliche Firmen im OP unterwegs." Der Kostendruck an deutschen Kliniken sei enorm, die Lage sehr angespannt.
In Mannheim ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Erst am Mittwoch hatten Beamte kistenweise mögliches Beweismaterial aus der Klinik geschleppt. Patienten und Mitarbeiter sind verunsichert. Auch intern mehren sich die Vorwürfe, dass die Hygienemängel mit Sparzwängen des Krankenhauses zu tun haben.
Durch einen anonymen Hinweis kamen die Ermittlungen Anfang Oktober ins Rollen. Waschmaschinen für OP-Besteck fehlte ein TÜV-ähnliches Siegel, Reinigungsleute aus dem sensiblen Bereich konnten keine Qualifikation vorweisen. Das Klinikum hat seither sein OP-Programm drastisch reduziert: Gut 20 Eingriffe pro Tag gab es zuletzt, statt sonst rund 60.
Die Leitung der Medizinischen Fakultät, die zusammen mit dem Universitätsklinikum die Universitätsmedizin Mannheim bildet, sprach in einem offenen Brief jüngst von einer Verharmlosung der «schweren Mängel». Die Ursache für die Probleme liege in einem "betriebswirtschaftlichen Kalkül» und «dem Willen nach Kostensenkungen".
Experte Brand zufolge können es sich Krankenhäuser nicht mehr leisten, für die Reinigung von OP-Besteck Krankenpfleger abzustellen - jetzt übernehmen diese Aufgabe in der Regel angelernte Kräfte. "Da wird der Mindestlohn des Reinigungsgewerbes gezahlt, knapp zehn Euro." Früher hätten oft noch besserbezahlte Krankenschwestern die Reinigung übernommen.
"Es ist sicherlich schwierig, für wenig Geld gute Leute zu finden", gibt Brandt vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene in Frankfurt am Main zu bedenken. Nirgendwo funktioniere alles hundertprozentig - gerade deshalb sei eine gute Kommunikation zwischen Medizinern und Reinigungskräften wichtig.
Daran scheint es in Mannheim gemangelt zu haben, wie interne Beschwerden nahelegen, aus denen "Spiegel Online" zitiert. In einer Beschwerde von Anfang 2014 ist danach die Rede von einer toten Fliege im OP-Besteck. Die Einträge lesen sich wie Hilferufe: "Wir sind kein Produktionsbetrieb, hier geht es um Menschenleben." Und: "Bitte, bitte lassen Sie es nicht dazu kommen, dass Patienten zu Tode gespart werden."