Berlin (dpa)
Knapp jeder fünfte Bürger findet kleine Mengen Alkohol während der Schwangerschaft nicht schlimm. Dabei kann Trinken in diesen neun Monaten beim Kind zu schweren Behinderungen führen.
Rund 2000 Kinder kommen jedes Jahr mit massiven Behinderungen zur Welt, weil ihre Mütter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben. Die Schädigungen erstrecken sich vom Wachstum über das Zentrale Nervensystem bis zu auffälligen Veränderungen im Gesicht, erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), am Dienstag in Berlin.
Schätzungen gehen davon aus, dass pro Jahr rund 10 000 Neugeborene mindestens Teilstörungen erleiden.
Alle Formen dieser vorgeburtlichen Schädigungen werden unter dem Begriff FASD (fetale Alkoholspektrum-Störungen) zusammengefasst. An diesem Mittwoch (9.9.) ist der „Tag des alkoholgeschädigten Kindes“.
Mortler sagte mit Verweis auf die neunmonatige Schwangerschaft, das Datum sei nicht von ungefähr gewählt worden. Nach ihren Angaben hat das Bewusstsein für die Schädlichkeit von Alkohol für Ungeborene zugenommen.
Doch trotz aller Warnungen halten immer noch 18 Prozent der Bundesbürger ein gelegentliches Gläschen Sekt oder Bier während der Schwangerschaft für vertretbar, 20 Prozent der Männer und immerhin 16 Prozent der Frauen. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag der Privaten Krankenversicherung (PKV) hervor. Erfreulich dabei ist, dass unter den 18- bis 24-Jährigen nur vier Prozent ein Gläschen Alkohol während der Schwangerschaft für vertretbar halten. Bei den über 54-Jährigen sind dies immerhin fast ein Viertel (23 Prozent).
Der PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach erklärte dazu: „Schon kleine Mengen können das Kind im Mutterleib schädigen, schon ein einziger Rausch kann seine Gesundheit schwer gefährden.“ Die Vorsitzende des Vereins FASD Deutschland, Gisela Michalowski, sagte bei der Pressekonferenz mit Mortler, wenn eine Schwangere am Wochenende Partie mache und Alkohol trinke, „ist das Kind am Donnerstag noch betrunken“.
Das Baby brauche ungefähr zehnmal länger als die Mutter, um den Alkohol abzubauen. Er gelange ungefiltert über die Plazenta (Mutterkuchen) in den Blutkreislauf des Ungeborenen.
Mortler stellte bei der Pressekonferenz das Buch „Suchtgefährdete Erwachsene mit fetalen Alkoholspektrumsstörungen“. Schätzungen der Herausgeber zufolge leben in Deutschland heute 500 000 bis 600 000 Erwachsene mit FASD. „FASD ist die einzige Behinderung eines Kindes, die zu 100 Prozent vermieden werden kann“, sagte Michalowski, die Pflegemutter von vier betroffenen Kindern ist.