Leer/Berlin (dpa)
Wie zuverlässig sind Bandscheibenprothesen? Nach Berichten über defekte Implantate kommen Zweifel an den Zulassungsregeln für Medizinprodukte auf - nicht zum ersten Mal.
Nach einer Rückrufaktion für schadhafte Bandscheibenprothesen hat der Verband der Ersatzkassen (vdek) schärfere Regeln für die Zulassung von Medizinprodukten gefordert. In Deutschland könnten Produkte ohne Prüfung implantiert werden, kritisierte eine Sprecherin am Donnerstag in Berlin. Anlass ist ein Aufruf bei mehr als 100 Bandscheibenpatienten zu Kontrolluntersuchungen am Klinikum im ostfriesischen Leer. Viele von ihnen hatten vor mehreren Jahren offensichtlich defekte Implantate eines britischen Herstellers bekommen.
Die inzwischen insolvente Firma Ranier Technology aus Cambridge hat nach Klinikangaben erst in diesem Sommer eine dringende Sicherheitsmeldung für die fehlerhaften Prothesen herausgegeben.
Diese stammten aus der Zeit Ende 2010 bis Anfang 2011. Davon sind in Leer 48 Patienten betroffen. 20 wurden bereits nachoperiert.
Vorsorglich rief das Klinikum auf Empfehlung des Herstellers auch 56 Patienten mit anderen Ranier-Implantaten zu Untersuchungen auf.
Der Ersatzkassenverband kann derzeit nicht sagen, wie viele weitere Patienten diese Prothesen bekommen haben. Es sei auch unbekannt, wie viele Hersteller in Deutschland Bandscheibenprothesen vertreiben.
"Aber es ist durchaus anzunehmen, dass auch andere Kliniken und Versicherte in Deutschland und Europa betroffen sind", sagte vdek-Sprecherin Michaela Gottfried.
Der Vorfall zeige den großen politischen Handlungsbedarf in Deutschland, sagte Gottfried: "Es kann nicht sein, dass die Krankenkassen ihre Versicherten nicht über schadhafte Medizinprodukte informieren können, weil nicht übermittelt wird, welches Produkt implantiert wurde." Der Verbraucherschutz müsse bei der Zulassung von Medizinprodukten verbessert werden. Zudem müssten die Produkten bis zum Hersteller zurück verfolgt werden können.
Patienten sollen sich Angaben zufolge an das Klinikum Leer oder an ihre Krankenkassen wenden. Diese übernehmen falls nötig die Kosten für eine zweite Operation und stellen entsprechende Regressforderungen beim Hersteller.
In den vergangenen Jahren hatte eine französische Firma weltweit Brustimplantate aus billigem Industriesilikon verkauft. 2010 mussten die Brustimplantate wegen der hohen Reißanfälligkeit vom Markt genommen werden.