Berlin (dpa)
Nach monatelangem Ringen will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch das Rentenpaket II auf den Weg bringen. „Die Bundesregierung sorgt mit dem Rentenpaket dafür, dass die gesetzliche Rente für alle Generationen stabil und verlässlich bleibt“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Doch so einfach, wie das klingt, ist es nicht.
Was ist das Ziel der Reform?
Die Ampel verfolgt mit dem Gesetzespaket zwei Ziele: Die Renten sollen künftig weiter im Einklang mit den Löhnen in Deutschland steigen. Dafür soll das Rentenniveau von 48 Prozent bis mindestens 2039 gehalten werden. Es sagt aus, wie sich die Renten im Verhältnis zu den Einkommen entwickeln. Zum anderen will die Regierung aus Bundesmitteln ein sogenanntes Generationenkapital aufbauen - also Geld auf dem Aktienmarkt anlegen.
Welcher Teil wird für die Rentner eher zu spüren sein?
Die Fixierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent. Wenn beispielsweise eine ausgebildete Krankenschwester mit 3100 Euro pro Monat im Jahr 2032 nach 45 Erwerbsjahren im Alter von 65 Jahren in Rente geht, würden ihre Bezüge dank des Rentenpakets statt rund 1450 Euro etwa 1500 Euro betragen. „Das ist ein Plus von rund 600 Euro im Jahr“, so das Bundesarbeitsministerium.
Wozu dient das Generationenkapital?
Die Rentenbeiträge sollen nicht so stark steigen. Heute liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent des Einkommens. Ohne Reform soll er bis 2030 auf 20,2 und bis 2040 auf 21,3 Prozent steigen, so offizielle Prognosen. Nur eine Sicherung des Rentenniveaus ohne Generationenkapital würde den Beitragssatz laut Gesetzentwurf bis 2040 sogar auf 22,6 Prozent hochtreiben. Die Zinserträge des Generationenkapitals sollen dazu führen, dass er dann bei 22,3 Prozent verharrt.
Was ist das Generationenkapital genau?
Die Regierung will dafür Schulden machen, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. In diesem Jahr sind das erst einmal 12 Milliarden Euro, in den kommenden Jahren soll es jeweils etwas mehr werden. Auch Vermögenswerte des Bundes sollen übertragen werden. Bis Mitte der 2030er Jahre sollen so mindestens 200 Milliarden Euro angelegt werden. Aus den Erträgen am Aktienmarkt sollen dann jährlich zunächst 10 Milliarden Euro an die gesetzliche Rentenversicherung fließen.
Wie geht es nach dem Kabinettsbeschluss weiter?
Damit das Generationenkapital noch 2024 eingerichtet werden kann, will die Regierung nun Tempo machen. Per Brief bat das Kanzleramt die im Bundesrat versammelten Länder um Fristverkürzung bei den Beratungen, so dass die Länderkammer die Reform bereits am 5. Juli beraten kann. Auch in der Koalition ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Mit Spannung wird erwartet, ob bei den ebenfalls anstehenden Debatten im Bundestag zu dem Gesetzentwurf neuer Streit ausbricht. Die FDP zeigte sich zuletzt gar nicht mehr zufrieden mit den Reformplänen. Ihr sind die künftigen Beitragsbelastungen für die heute jüngere Generation zu hoch. Heil entgegnete, der vorhergesagte Beitragsanstieg von jeweils einem halben Prozentpunkt bis 2040 für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei „etwas, was wir leisten können“.
Und was sagen die Grünen?
Sie waren mit dem Generationenkapital unglücklich. Sie hatten auf die Volatilität der Finanzmärkte hingewiesen, durch die es kurzfristig zu hohen Verlusten kommen könne. Gesetzlich festschreiben wollen die Grünen, dass der Einsatz von Beitragsmitteln für den Kapitalstock auch in Zukunft ausgeschlossen wird. Doch als es zuletzt zwischen SPD und FDP wieder heftig knirschte und dabei auch die Rente ins Zentrum rückte, zeigte sich der Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck überrascht. „Das Rentenpaket war eigentlich geeint“, sagte er. In seinem Wirtschaftsministerium habe man damit anfangs ein paar Probleme gehabt, „weil uns die schuldenfinanzierte Aktienrente nicht auf Anhieb überzeugt hat“. Mit dem Ergebnis könne man aber leben.
Wer findet das Rentenpaket vor allem gut?
Sozialverbände und Gewerkschaften loben die Sicherung des Rentenniveaus - und fordern noch mehr. So sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der Deutschen Presse-Agentur, ein stabiles Rentenniveau bedeute „Entlastung, bessere Absicherung im Alter und weniger Aufwand für private Vorsorge“. Hans-Jürgen Urban vom IG-Metall-Vorstand sagte der dpa: „Das Rentenpaket II stoppt die programmierte Entwertung der Renten für weitere 15 Jahre.“ Ebenso wie DGB und IG Metall forderte der Sozialverbands VdK aber sogar ein höheres Rentenniveau. So sagte VdK-Chefin Verena Bentele der „Rheinischen Post“, ein Niveau von 53 Prozent wäre eine Rentenerhöhung um zehn Prozent – „und würde wirklich gegen Altersarmut helfen“.
Wer hat die größten Bauchschmerzen mit der Reform?
Deutschlands Arbeitgeber. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände trommelt bereits seit Wochen gegen „das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“, wie sie das Rentenpaket nannte. „Nachdem die Koalition bereits eine Anhebung des Rentenalters ausgeschlossen hat, gehen damit künftig alle Lasten aus der Alterung auf Kosten der Beitragszahler.“ Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte: „Erneut werden Leistungen versprochen, die langfristig nicht finanzierbar sein werden.“ Mit immer höheren Sozialbeiträgen komme Deutschland noch schwerer aus dem „wirtschaftlichen Stillstand“.
Begegnet die Koalition der Kritik mit noch einem dritten Rentenpaket?
Ein solches hatten Lindner und seine FDP gefordert - etwa um Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit zu geben. Wie es in Koalitionskreisen hieß, werden derzeit Schritte erwogen, die Arbeit im Alter finanziell noch attraktiver machen sollen. Was zudem noch aussteht: die angekündigte bessere Altersabsicherung von Selbstständigen, die Heil erneut ankündigte. Auch bei der privaten Altersvorsorge will die Koalition noch Dinge verbessern. Heil verneinte aber die Frage, ob es nach dem Rentenpaket bis zur nächsten Bundestagswahl über die Ankündigungen hinaus noch mehr in Sachen Rente gebe: „Nein, das ist eine große Reform, weil wir das Rentenniveau dauerhaft stabil halten.“