Nürnberg (dpa)
In Mexiko, auf den Philippinen oder in Bosnien haben viele Menschen keine Chance auf einen Job - das will die Bundesagentur für Arbeit stärker nutzen. Mit speziellen Programmen fischen die Nürnberger nach Fachkräften in aller Welt. Zum Wohle beider Seiten, wie es heißt.
US-Präsident Donald Trump baut an einer Mauer, mit der er Eindringlinge aus Mexiko abhalten will. Deutschland baut eine Brücke. Die Bundesagentur für Arbeit will in einer konzertierten Aktion Tausende Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland holen, um die Löcher zu füllen, die der Fachkräftemangel in vielen Sparten aufreißt. Es geht um Techniker, IT-Fachleute, Handwerker - vor allem aber um Kräfte für die Pflege von Alten und Kranken. Dort ist der Notstand am größten und spürbarsten.
Wenn Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Ende dieser Woche nach Mexiko reist und dort um Kranken- und Altenpfleger für deutsche Einrichtungen wirbt, sind die ersten 100 schon hierzulande tätig, bald soll die Zahl auf 300 steigen. Die ersten Erfahrungen sind durchweg positiv. In einem Altenheim in Passau etwa schätzt man die hohe Motivation und die freundliche Art der Pfleger mit einer Anreise von 10 000 Kilometern.
Schon seit fünf Jahren fahndet die Bundesagentur gezielt nach ausländischen Arbeitskräfte, die sich sonst nicht ohne weiteres in Deutschland ansiedeln könnten - auf den Philippinen, in Tunesien oder auch in Bosnien-Herzegowina.
Die EU bietet über die sogenannte Blue Card sogar schon seit 2012 ausländischen Akademikern ein dauerhaftes Arbeits- und Bleiberecht an, wenn sie neben einem Hochschulabschluss auch ein bestimmtes Mindesteinkommen - derzeit rund 53 000 Euro im Jahr - vorweisen können.
Auch wenn im vergangenen Jahr 60 000 Menschen aus Nicht-EU-Ländern aus beruflichen Gründen nach Deutschland kamen - für Angehörige nicht-akademischer Ausbildungsberufe blieb die Tür jedoch allzu oft zu, obwohl ihre Fähigkeiten dringend gebraucht würden. Allein in der Pflege fehlen in Deutschland derzeit 40 000 Kräfte.
Die Nürnberger Behörde geht jetzt koordiniert vor. Mit den Vertretern potenzieller Arbeitgeber im Schlepptau reisen die Arbeitsvermittler in die Zielländer und suchen in enger Absprache mit der örtlichen Arbeitsverwaltung nach geeigneten Leuten. Die Arbeitsverträge werden oft an Ort und Stelle unterschrieben. Sie bilden die Grundlage für das dann folgende Prozedere: Die Kandidaten lernen in ihrem Heimatland Deutsch.
Die Bundesagentur koordiniert wie eine Art „Makler“ den Papierkram, kümmert sich unterstützend etwa um Visum und Arbeitserlaubnis und um die Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse. Schluss soll sein mit den Berichten Betroffener, die etwa in der philippinischen Hauptstadt Manila auf gepackten Koffern saßen, aber ein halbes Jahr auf einen Termin bei der Deutschen Botschaft warteten, um einen Visumsantrag zu stellen.
„Triple Win“ heißt das Projekt, über das Pflegekräfte von den Philippinen, Tunesien und vom Balkan nach Deutschland kommen sollen. „3500 solcher Verträge sind bereits geschlossen“, sagt Daniel Terzenbach, Vorstand bei der Bundesagentur in Nürnberg. „2100 Leute arbeiten schon in Deutschland, der Rest bereitet sich gerade darauf vor.“
Künftig soll auch Mexiko ein Eckpfeiler der Auslands-Aquise werden. Ein einfaches Unterfangen ist das nicht. „Das Anwerben von Arbeitskräften aus Drittstaaten ist harte Arbeit“, sagt Terzenbach.
Vor allem die Anerkennung über Kammern oder bei den Bundesländern sei ein enormer Aufwand. Die Bundesagentur versuche auch, „einen fairen Mobilitätsprozess“ zu organisieren. Keinesfalls sollen die Menschen aus fernen Ländern in Deutschland an die falschen Leute geraten und abgezockt werden, um dann vielleicht schon mit Schulden beladen Arbeit aufzunehmen.
Terzenbach setzt auch deshalb nicht auf schnelle Erfolge. In fünf Jahren eine fünfstellige Zahl von Verträgen zu erreichen - das sei ein sehr ehrgeiziges Ziel. „Es muss nachhaltig sein“, sagt der BA-Vorstand. „Es hilft nichts, schnell mal 50 Leute zu holen. Sonst würden auch die Behörden in den Zielländern nicht mehr bereit sein, zu kooperieren.“
Die Jagd der reichen Deutschen auf Arbeitskräfte aus dem Ausland stößt nicht nur auf Zustimmung. Kritiker bemängeln, deutsche Arbeitgeber ließen sich die Ausbildung von Ländern bezahlen, die weit weniger wohlhabend seien als hierzulande. Die Menschen werden mit großem Aufwand ausgebildet, der heimische Arbeitsmarkt kann die Spezialisten aber nicht nutzen.
„Vor dem Hintergrund einer guten internationalen Zusammenarbeit stellen sich Fragen, wenn wir diese Leute den Arbeitsmärkten dieser Länder entziehen“, sagt etwa der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), der Amberger Professor Anton Scharl. „Ein reiches Land wie Deutschland sollte auch die Finanzmittel für die Ausbildung des bei uns notwendigen Fachpersonals aufbringen.“
Die Bundesagentur kennt das Problem und will diesem begegnen. „Wir sind die Guten“, sagt Terzenbach. Es gehe bei den Nürnberger Werbungsversuchen ausschließlich um Fachkräfte, die auf den Heimatmärkten zu viel sind und keine Chance auf einen Job haben. „Beide Länder müssen etwas davon haben“, sagt Terzenbach.