Berlin (dpa)
Um seine Nachbarn kennenzulernen, kann man einfach klingeln oder klopfen. Man kann aber auch ins Netz gehen. Seit einigen Jahren gibt es Online-Portale, die Menschen zusammenbringen und sich als durchaus nützlich erweisen können.
Der Kumpel des Nachbarn hat sich mit der Freundin verkracht und sitzt jetzt auf der Straße. Ein Zimmer muss her, schnell. Eine andere Nachbarin hat den Code für ihr Fahrradschloss vergessen. Sie sucht einen Bolzenschneider. Ganz normale Probleme, die sich oft mit Hilfe der Nachbarn lösen lassen. Doch klingeln, klopfen, lange suchen? Dafür hat kaum noch jemand Zeit und Muße. Apps wie nebenan.de setzen genau hier an und wollen Abhilfe schaffen.
Auf der 2015 gegründeten Plattform können sich Nachbarn verabreden, Dinge tauschen, verkaufen und verschenken. „Das Portal ist für praktisch-pragmatische Nachbarschaftshilfe da, aber auch zur Förderung der Gemeinschaft und ein Mittel gegen die Einsamkeit“, sagt Mitgründerin Ina Remmers vom Berliner Sozialunternehmen Good Hood GmbH. Deutschlandweit gibt es demnach rund 1,2 Millionen aktive Nutzer in rund 7000 Nachbarschaften.
Eine solcher Nachbarschaften ist die Berliner Hufeisensiedlung. Mehr als 460 Bewohner sind dort registriert und täglich gibt es Angebote und Anfragen - von Rasentrimmern, Kosmetika bis hin zu Büchern und Spielen. „Ich habe einen Couchtisch von einer Nachbarin bekommen“, erzählt Bewohnerin Viviane Czernietzki, der auch der ökologische Gedanke dabei gefällt. „Man muss ja nicht immer alles neu kaufen.“ Das Portal habe die Nachbarschaft deutlich belebt und das Wir-Gefühl deutlich verstärkt, sagt die 44-Jährige.
An diesem Freitag (24.5.) sollen sich möglichst viele Nachbarn persönlich treffen. Die nebenan.de-Stiftung - eine Tochter der Good Hood GmbH - ruft auf, sich mit Festen und Veranstaltungen am zweiten „Tag der Nachbarn“ zu beteiligen. „Wir haben bundesweit bereits rund 3000 Anmeldungen“, so Remmers. Das Bundesfamilienministerium unterstützt die Aktion laut einem Sprecher mit fast 300 000 Euro, „weil hier Menschen aus allen Lebensbereichen zusammenkommen und ein Zeichen für ein nachbarschaftliches, solidarisches Miteinander im ganzen Land setzen“.
Seit wenigen Jahren muss sich nebenan.de gegen Konkurrenz aus den USA behaupten. Der dortige Marktführer Nextdoor drängt seit 2017 auf den Markt. Auch andere Plattformen sorgen für Austausch. Lokale Gruppen finden sich etwa auch bei Facebook. Und verschenken und verkaufen kann man unkompliziert auch bei ebay-Kleinanzeigen.
Aus Sicht des Stressforschers Mazda Adli kann ein gut funktionierendes Online-Netzwerk ein gutes Mittel sein, das Unterstützungsnetzwerk in der Nachbarschaft auszubauen. „Das beugt sozialer Isolation vor, dem wichtigsten Stressfaktor in der Stadt, der nachweislich die Psyche beeinflusst“, so der Psychiater.
In Dörfern ist nebenan.de bislang kaum zu finden. Dort mangele es einfach oft auch an technischer Infrastruktur, sagt die Expertin für ländliche Regionalentwicklung, Andrea Soboth aus Gießen. Weil Vernetzung aber auch auf dem Lande wichtig sei, gebe es in einigen Bundesländern die Initiative „Digitale Dörfer“.
Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky sieht in Nachbarschafts-Apps die Zukunft. „Sie helfen, das Leben in der realen Welt besser und intelligenter zu organisieren“, so Jánszky. Aus seiner Sicht werden sie die Mensch-zu-Mensch-Kontakte nicht ablösen. Im Gegenteil. „Sie sind die Betriebssysteme dahinter.“