Düsseldorf/Berlin (dpa)
Schockierende Bilder aus nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheimen haben nicht nur die Landesregierung alarmiert. Private Wachmänner sollen dort Flüchtlinge misshandelt haben. NRW-Innenminister Jäger will nun durchgreifen.
Düsseldorf/Berlin (dpa) - Nach den Übergriffen privater Wachleute gegen Flüchtlinge will die nordrhein-westfälische Landesregierung Konsequenzen ziehen. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) werde an diesem Dienstag Maßnahmen vorstellen, kündigte eine Ministeriumssprecherin an. Jäger hatte bereits mehr Personal für die Überwachung der Standards in den Flüchtlingsheimen zugesagt. Überlegt wird auch, die privaten Sicherheitskräfte durch eine Abfrage beim Verfassungsschutz zu überprüfen. Insgesamt soll es in mindestens drei Unterkünften in Nordrhein-Westfalen Misshandlungen gegeben haben.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte einen "nationalen Flüchtlingsgipfel". "Die starke Zunahme von Flüchtlingen ist seit Jahren absehbar gewesen. Es rächt sich jetzt, dass die Bundesregierung zu lange untätig blieb", sagte die Politikerin der "Rheinischen Post" (Dienstag). "Alle Beteiligten, Bund, Länder, Kommunen und Flüchtlingsorganisationen, müssen an einen Tisch."
In Burbach im Siegerland sollen private Wachmänner einen Flüchtling gezwungen haben, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen. Ein von den Männern aufgenommenes Video war in die Hände der Ermittler gelangt. Außerdem hatte die Polizei ein Foto gefunden, auf dem ein Sicherheitsmann einem gefesselt am Boden liegenden Flüchtling einen Fuß in den Nacken stellt. Hinzu kommen Verdachtsfälle in Essen und Bad Berleburg.
Die Bundesregierung dringt auf rasche Aufklärung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière will sich am Dienstag ein Bild von der Lage von Flüchtlingen in Bayern machen. Dazu besucht der CDU-Politiker unter anderem die überfüllte Erstaufnahmeeinrichtung in der Münchner Bayernkaserne und die Bundespolizei-Wache im Münchner Hauptbahnhof.
Außerdem will de Maizière an einer Kabinettssitzung der bayerischen Staatsregierung teilnehmen. Sein Besuch in München war bereits vor Bekanntwerden der Vorwürfe brutaler Misshandlung von Asylbewerbern in Nordrhein-Westfalen geplant.
Stark steigende Asylbewerberzahlen stellen die Behörden derzeit vor massive Herausforderungen. Viele Einrichtungen sind überbelegt. In der Zeit von Januar bis August 2014 haben insgesamt 99 592 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Im Gesamtjahr erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 200 000 Bewerber.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, brachte zur Entlastung der Kommunen einen Gesundheitsfonds ins Gespräch. Städte und Gemeinden seien durch die teilweise extrem hohen Krankenkosten der Flüchtlinge erheblich belastet. Die im Bürgerkrieg erlittenen Verletzungen und Traumatisierungen erforderten eine nachhaltige und andauernde, oft sehr kostspielige medizinische Versorgung. "Dies sollte über einen Gesundheitsfonds organisiert und abgewickelt werden", sagte Landsberg der "Rheinischen Post".
Der Misshandlungsskandal wird am kommenden Donnerstag den Düsseldorfer Landtag beschäftigen. Die Opposition und die Regierungsfraktion der Grünen sprachen von einer "Schande für Nordrhein-Westfalen".