Berlin (dpa)
Ein vergiftetes Angebot? Die niedergelassenen Ärzte bieten den Krankenhäusern eine engere Zusammenarbeit an - und verlangen als erstes, Krankenhausbetten abzubauen.
Die niedergelassenen Ärzte haben den Krankenhäusern eine engere Zusammenarbeit angeboten, um so die ärztliche Versorgung überall in Deutschland sicherzustellen. Dazu solle unter anderem das sogenannte Belegarztwesen ausgebaut und die vorhandene Versorgungsstruktur in den Regionen dem künftigen Bedarf angepasst werden, erläuterte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, am Mittwoch in Berlin anlässlich der „Woche der ambulanten Versorgung“.
Ein Belegarzt ist ein niedergelassener Haus- oder Facharzt, der etwa für Operationen in einem Krankenhaus einige Betten, sogenannten Belegbetten, für seine Patienten reservieren darf. Typische Belegärzte sind Mund- und Kieferchirurgen, Urologen oder Gynäkologen.
Dazu müssten überzählige Krankenhausbetten abgebaut werden, argumentierte Gassen weiter. Es gehe aber nicht darum, generell Versorgungsstandorte zu schließen. Die meisten Standorte sollten erhalten bleiben, nur eben nicht als Krankenhäuser. Es seien viele andere Versorgungsformen möglich: Praxiskliniken, Medizinische Versorgungszentren oder Facharztzentren mit kurzstationären Einheiten, erklärte er.
Hintergrund dieser Debatte ist das Krankenhausstrukturgesetz, wonach Überversorgung mit Krankenhäusern insbesondere in Ballungszentren abgebaut werden soll. Zugleich soll in ländlichen Regionen aber darauf geachtet werden, dass die Versorgung auch mit Krankenhäusern sichergestellt wird.
Hier sieht Gassen mit seinen Überlegungen zu den Belegärzten offenbar Möglichkeiten, bisherige, nicht benötigte Krankenhäuser durch Einrichtungen niedergelassener Ärzte zu ersetzen. Das stößt erwartungsgemäß auf Widerstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Allerdings hat die Ärzteschaft derzeit auch das Problem, (junge) Ärzte überhaupt aufs Land zu bekommen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) machte am Dienstagabend bei einer Veranstaltung des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) deutlich, dass es bei der Krankenhausstrukturreform noch einigen Handlungsbedarf gebe.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hielt den Kassenärzten vor, unter Sicherstellungsauftrag vor allem die Sicherung ihrer eigenen Interessen zu verstehen. Stiftungsvorstand Eugen Brysch argumentierte, die mangelhafte Facharztversorgung in den 13 600 Pflegeheimen nähmen sie mit ihren Vorschlägen nicht in Blick. Mehr als die Hälfte der 780 000 Heimbewohner sei zahnärztlich unterversorgt. Auch Urologen, Gynäkologen und Neurologen würden in Pflegeheimen selten gesehen. Trotzdem erhalten die Kassenärzte für die Koordination der Facharztversorgung von Heimbewohnern jährlich Millionen Euro.