Berlin (dpa)
Knapp zwei Jahre nach einem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommt wieder Bewegung in die Debatte um neue gesetzliche Regelungen zur Sterbehilfe in Deutschland. Noch vor der Wahl waren zwei Vorstöße aus dem Bundestag vorgestellt worden. Am Donnerstag startete eine weitere fraktionsübergreifende Gruppe eine Initiative. „Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern“, sagte der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci bei der Vorstellung eines Gesetzentwurfs in Berlin. Wenn der Zugang dazu leichter wäre als zu palliativer Versorgung, fürsorgender Pflege oder Psychotherapie, entstünde eine gefährliche Schieflage.
Die Abgeordnetengruppe dringt in einem ergänzenden Antrag daher auf eine Stärkung individueller Angebote etwa auch zur Schuldner- oder Suchtberatung, wie Benjamin Strasser (FDP) sagte. Im Kern soll laut Entwurf „zum Schutz der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zu Selbsttötung“ die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe gestellt werden - aber mit einer Ausnahmeregelung für Volljährige: Um die freie Entscheidung ohne inneren und äußeren Druck festzustellen, sollen in der Regel zwei Untersuchungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine umfassende ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte vor zwei Jahren ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Dabei hat „geschäftsmäßig“ nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet „auf Wiederholung angelegt“. Das Urteil stößt eine Tür für organisierte Angebote auf - aber auch mit Regulierungsmöglichkeit wie Beratungspflichten oder Wartefristen.
Zur Gruppe, die den neuen Vorstoß präsentierte, gehören auch die Abgeordneten Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Ansgar Heveling (CDU) und Kathrin Vogler (Linke). Unter den ersten Unterstützern sind dem Entwurf zufolge Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), jeweils in ihrer Funktion als Abgeordnete. Angepeilt werden eine Orientierungsdebatte oder eine andere Parlamentsbefassung. Über solche Gruppenanträge zu ethischen Fragen wird meist ohne Fraktionsvorgaben entschieden.
Vor einem Jahr - noch in der vorigen Wahlperiode - waren bereits zwei Initiativen vorgestellt worden. Eine Gruppe aus Abgeordneten von FDP, SPD und Linken legte einen Entwurf vor, der Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung eröffnen soll - aber mit Schutzkonzepten und Beratung. Mit-Initiatorin Katrin Helling-Plahr (FDP) kritisierte den jetzt vorgelegten neuen Vorschlag, der einen „erneuten Rückgriff auf das Strafrecht“ vorsehe. „Statt die Menschen erneut in ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende zu beschneiden, sollten wir dieses Recht mit einem liberalen Sterbehilfegesetz absichern.“
Auch die Grünen-Parlamentarierinnen Renate Künast und Katja Keul hatten einen eigenen Vorschlag für eine Neuregelung vorgelegt.