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Neue Wege für Notfallpatienten - Telefon und Tresen

Über eine stärkere Steuerung von Patienten mit akuten Anliegen wird seit langem diskutiert - denn Notaufnahmen vieler Kliniken sind deshalb längst am Limit. Nun werden Pläne für eine Reform konkreter.

Berlin (dpa)

Wenn man nachts oder am Wochenende plötzlich medizinische Hilfe braucht, wissen viele nicht so genau, wohin - und gehen dann häufig gleich ins Krankenhaus. Das überlastet Notaufnahmen und heißt oft stundenlanges Warten. Die Ampel-Koalition plant deswegen eine Reform, für die nun ein Gesetzentwurf vorliegt. Das Ziel: eine stärkere Steuerung von Patientinnen und Patienten je nach Dringlichkeit des Anliegens über zentrale Stellen in Kliniken und überall per Telefon. Von Hausärzten, Patientenschützern und aus der Opposition wurden Zweifel laut.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Deutschen Presse-Agentur, es gehe um die richtige Notfallversorgung zur richtigen Zeit am richtigen Ort. "Menschen die durch eine plötzliche Erkrankung oder eine Verletzung akute medizinische Hilfe brauchen, sind oft mit einem unübersichtlichen Dschungel wenig abgestimmter und zunehmend unzuverlässiger Strukturen der Notfallversorgung konfrontiert." Inzwischen litten Patienten wie Personal unter diesem "ineffizienten Flickenteppich". Die Reform sorge daher für eine bessere Patientensteuerung, einheitliche Schnittstellen und Standards und eine verlässliche Qualität.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im Januar bereits Eckpunkte dafür vorgestellt. Die Gesetzespläne sollen generell darauf zielen, "Fehlsteuerungen" abzustellen und eine bessere Vernetzung der beteiligten Versorgungsbereiche zu erreichen, wie es in dem Referentenentwurf heißt, der der dpa vorliegt. Dabei geht es vor allem um zwei Zugangswege außerhalb der normalen
Praxisöffnungszeiten:

Wenn Patientinnen und Patienten anrufen,

... sollen sie unter einer bundesweiten Nummer eine Ersteinschätzung zum weiteren Vorgehen bekommen. Dafür sollen "Akutleitstellen" als zentrale erste Anlaufstelle für Personen aufgebaut werden, die von einer sofortigen Behandlungsnotwendigkeit ausgehen, wie es im Entwurf heißt. Vermittelt werden soll man dann primär in reguläre Praxen oder auch eine Videosprechstunde oder einen Hausbesuch bekommen - Überweisung nicht erforderlich. Bei lebensbedrohlichen Notfällen sollen Anrufe sofort an die Rettungsleitstelle weitergestellt werden. Dazu sollen der Notruf 112 und die bisherige Terminvermittlungs-Hotline 116 117 vernetzt werden.

Abgesichert werden soll gesetzlich auch, dass Anruferinnen und Anrufer nicht in langen Warteschleifen hängen bleiben. Bei 75 Prozent aller Anrufe soll die Wartezeit auf eine Ersteinschätzung demnach maximal drei Minuten betragen dürfen, bezogen auf 95 Prozent aller Anrufe dürfen es höchstens zehn Minuten sein. Das soll auch vermeiden, dass dann direkt der Notruf 112 gewählt wird. Bisher müssten Menschen in Not unterschiedliche Notfallnummern wählen und landeten häufig am Ende beim Rettungsdienst, erläuterte Grünen-Experte Dahmen. Dann kämen sie meist doch in die Notaufnahme und schlussendlich viel zu oft ein paar Tage ins Krankenhaus.

Wenn Patientinnen und Patienten direkt in die Klinik gehen,

... sollen sie künftig an vielen Standorten an einem Empfangstresen zunächst eine Ersteinschätzung bekommen, wohin es für sie weitergeht - in die Notaufnahme oder eine nahe Notdienstpraxis. Als Rahmen dafür sollen bundesweit "integrierte Notfallzentren" in der Regie von Kliniken aufgebaut werden, an manchen Standorten auch für Kinder und Jugendliche. Die Notdienstpraxis soll an Wochenenden und Feiertagen mindestens von 9.00 bis 21.00 Uhr offen sein, Mittwoch und Freitag von 14.00 bis 21.00 Uhr und Montag, Dienstag und Donnerstag von 18.00 bis 21.00 Uhr.

Außerhalb dieser Spannen sollen während der üblichen Sprechzeiten angebundene Kooperationspraxen die ambulante Akutversorgung abdecken - in der übrigen Zeit übernimmt dann die Notaufnahme des Krankenhauses. Bei der Wahl der Standorte dieser "integrierten Notfallzentren" soll unter anderem die Erreichbarkeit bedacht werden. Als Anreiz, zuerst bei der "Akutleitstelle" anzurufen, sollen Patienten dann am zentralen Tresen bei gleicher Dringlichkeitsstufe vorrangig behandelt werden.

Kosten und Kritik

Mehrkosten zur Umsetzung des neuen Systems stünden erhebliche Entlastungen der gesetzlichen Krankenkassen gegenüber, heißt es im Gesetzentwurf. Sie ergäben sich durch bessere Steuerung und damit eine bedarfsgerechte Inanspruchnahme von Notdiensten. Insgesamt könne durch die Reform "langfristig mit jährlichen Minderausgaben von knapp einer Milliarde Euro gerechnet werden".

Mit Blick auf die Umsetzung wurden umgehend Bedenken laut. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband erklärte, dass es eine Reform mit mehr Patientensteuerung brauche, sei unbestreitbar. So wie geplant werde sie aber scheitern. Denn es sollten "Parallelstrukturen" mit Personal aufgebaut werden, das es schlicht nicht gebe. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte einheitliche Anlaufpunkte für Patienten an. "Dabei müssen Erreichbarkeit, Standard, Qualität und die Zusammensetzung des Personals auf gleichem Niveau sein", sagte Vorstand Eugen Brysch.

Der Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge sagte, mehr Telemedizin und eine bessere Ersteinschätzung und Steuerung seien ebenso überfällig wie eine stärkere Vernetzung zwischen ärztlichen Notdiensten, Notaufnahmen und Rettungsdiensten. Es wäre aber dringend nötig gewesen, die Reform gemeinsam mit der vorgesehenen Neuaufstellung der Kliniken anzugehen. "Inmitten der Ungewissheit, welche Häuser nach der Krankenhausreform überhaupt weiterbestehen werden, werden die neuen integrierten Notfallzentren nur schwer planbar sein", warnte der CDU-Politiker.

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