Berlin (dpa)
Wochenlanges Warten auf eine Behandlung oder Untersuchung frustriert viele gesetzlich Versicherte - vor allem bei Fachärzten. Kann es da helfen, dass Medizinern für manche Termine jetzt extra Geld winkt?
Damit Kassenpatienten schneller an Termine kommen können, greifen von diesem Sonntag an neue finanzielle Anreize und Vorgaben für Ärzte. Sie sollen es unter anderem lohnender machen, wenn Hausärzte dringende Termine bei Fachärzten vermitteln oder Praxen neue Patienten aufnehmen. Bei bestimmten Medizinern wie Augenärzten, Frauenärzten und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten muss es künftig mindestens fünf Stunden in der Woche als offene Sprechzeit ohne feste Termine geben - auch dafür sind besondere Vergütungen vorgesehen.
Die Kassenärzte begrüßten den generellen Ansatz. Grundsätzlich sei es gut, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Mehrarbeit in den Praxen anerkenne und mit zusätzlichen finanziellen Mitteln versehen habe, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Deutschen Presse-Agentur. „Allerdings ist der Tag endlich und die Arztzeit begrenzt, und sie wird immer knapper.“
Niedergelassene Ärzte arbeiteten bereits im Schnitt 50 Stunden pro Woche. „Zusätzliche Termine müssen in die Praxisabläufe integriert werden“, sagte Gassen. „Bei der offenen Sprechstunde darf auch nicht vergessen werden, dass viele Patienten dann noch einmal wiederkommen müssen, weil beispielsweise noch Dinge abgeklärt werden müssen.“ Daher sei erheblicher Aufwand erforderlich, um dem Gesetz zum gewünschten Erfolg zu verhelfen.
Konkret sollen Hausärzte ab 1. September einen Zuschlag von 10 Euro bekommen, wenn sie einem Patienten eine dringende Behandlung bei einem Facharzt vermitteln und der Termin binnen vier Tagen folgt. Eine extra Vergütung für den Arzt gibt es künftig auch, wenn Praxen Patienten aufnehmen, die noch nie oder mindestens zwei Jahre nicht bei ihnen waren. Gestaffelte Zuschläge locken zudem für Patienten, die Termine über telefonische Vermittlungsstellen der Kassenärzte bekommen haben. Dabei ist die Zusatz-Pauschale umso höher, je früher der Termin nach dem Anruf bei der Terminservicestelle folgt.
Wie viel Geld für Anreize zusammenkommt, muss sich zeigen. So ist offen, wie oft Hausärzte sich für Patienten um Facharzt-Termine kümmern. Laut einer Beispielrechnung der KBV gab es 2018 rund 45 Millionen Überweisungen zu Fachärzten. Ginge ein Prozent davon auf aktive Vermittlung zurück, ergäbe das bei je 10 Euro Zuschlag also 4,5 Millionen Euro extra für die Hausärzte - bei einem Anteil von 20 Prozent mit aktiver Vermittlung wären es fast 90 Millionen.
Die Neuregelungen sind Teil eines umfassenden Gesetzes der großen Koalition, das im Mai in Kraft getreten ist. Es sieht unter anderem auch vor, dass Praxisärzte mindestens 25 statt 20 Stunden in der Woche für gesetzlich Versicherte anbieten müssen. Die telefonische Vermittlung der Terminservicestellen, die in den Ländern bisher unterschiedlich arbeiten, soll ab 2020 stark ausgebaut werden.