St. Gallen/Konstanz (dpa)
Der Bodenseekapitän gehört zu seinen Paraderollen. "Seemann, lass das träumen" oder "Die Fischerin vom Bodensee" können viele seiner Zuschauer mitsingen. Am liebsten jedoch spielt Dietmar Max Burger den Appenzeller Bub, der dem Rösli einen Heiratsantrag macht und dafür drei Aufgaben erfüllen muss - mit Hilfe des Publikums. Denn Burger ist Clown - aber nicht im Zirkus oder Kindergarten, sondern im Altenheim. Ein Beruf mit Zukunft, wie der Konstanzer Clown-Trainer Udo Berenbrinker anlässlich des Weltlachtags an diesem Sonntag (5. Mai) betont: "Die Nachfrage nach Gesundheitsclowns für Kranke und Alte nimmt massiv zu."
Der gebürtige Schwabe Burger, der inzwischen im schweizerischen St. Gallen lebt, sagt: "Für mich ist Freude eine Medizin. Ich sehe mich als Doktor fürs Gemüt." Bei seinen Besuchen als Clown Massimo spüre er eine berührende Wandlung. "Die betagten Menschen blühen auf, strahlen. Die Sehnsucht nach emotionaler Gemütspflege wird gestillt." Burger hat Medizin studiert und als Arzt praktiziert. Nach einer berufsbegleitenden Ausbildung zum Gesundheitsclown arbeitet er seit etwa sechs Jahren vor allem in der Ostschweiz als sogenannter Gericlown - ein Wortspiel mit Geriatrie, also Altersmedizin.
"Für mich ist das eine Form der Berufung", sagt der 40-Jährige. "Als ich in der Altersmedizin tätig war, haben manche Patienten einen bedrückten Eindruck gemacht." Dann habe er angefangen, auf der Visite mit ihnen zu singen. "Und plötzlich kam etwas Lebendiges in den oft sterilen Klinikbetrieb. Ein Arzt kommt an Grenzen, die man manchmal mit Humor und Freude überwinden kann."
Im Gegensatz zum Kinderclown ist Burger bei seinen Auftritten etwa auf Demenzstationen respektvoll gekleidet und nur dezent geschminkt.
Daneben sei es besonders wichtig, freudvolle Erinnerungen zu wecken.
"Ich wähle Lieder, die Leute von früher kennen, und lasse sie erzählen, wie das war damals, etwa beim Heiratsantrag."
Oft schaffe er Situationen mit Rollenumkehr: "Ich bitte um Hilfe, so dass die Bewohner eine Aufgabe bekommen. Senioren, die sonst hilfsbedürftig sind, haben dadurch plötzlich eine aktive, helfende Rolle dem Clown gegenüber - dies wirkt gemütsstärkend."
Seine Ausbildung absolvierte Burger an der Clown-Akademie Tamala in Konstanz, die seit 1999 einen speziellen Studiengang zum Gesundheitsclown anbietet. Seit 2005 ist der in Deutschland und der Schweiz als Beruf staatlich anerkannt. "Die Nachfrage nach Gesundheitsclowns nimmt im Moment so massiv zu, dass ich gar nicht so viele ausbilden kann, wie der Markt gerade braucht", sagt der pädagogische Leiter Udo Berenbrinker. "Die 18 bis 20 Schüler, die pro Jahr hier abschließen, sind innerhalb von drei Monaten vermittelt."
Vor allem wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen Lachen und Humor den Heilungsprozess fördern, macht Berenbrinker für die große Nachfrage verantwortlich. Daneben spiele auch der demografische Wandel und der Mangel an Pflegepersonal eine Rolle. "Es gibt Studien, wonach der Einsatz von Antidepressiva in Altersheimen mit Hilfe von Gesundheitsclowns fast auf Null gesunken ist", sagt Berenbrinker.
Pflegeheime würden von Patienten und Angehörigen bereits daran gemessen, ob sie professionelle Spaßmacher einsetzten. "Wo die Clowns über Jahre wieder kommen, verändert sich die Atmosphäre im Haus."
Zum Einsatz kommen die Gericlowns in Altenheimen, Einrichtungen für Behinderte oder Krankenhäusern. Die Konstanzer Ausbildung umfasst neben Clowntheater, Tanz und Akrobatik Seminare zur Körpersprache, zu Krankheitsbildern und ihren spezifischen Verhaltensmustern. Die Akademieleitung denkt darüber nach, einen weiteren Ausbildungszweig zu starten - speziell für Demenzstationen und Behinderte.
"Wir haben auch Spezialseminare zum Thema: Wie gehe ich mit dem Sterben um", sagt Berenbrinker. Manche alten Leute fragten nach einem Clown, wenn sie spürten, dass der Tod bevorstehe. "Da heißt es dann: Er soll noch einmal kommen, ich will noch einmal lachen."