Berlin (dpa)
Der Koalitionsvertrag ist eindeutig: „Wir werden das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich regeln“, heißt es dort. Gerade noch rechtzeitig in dieser Wahlperiode will Gesundheitsminister Gröhe das sensible Thema nun abräumen.
Kinder aus künstlicher Befruchtung sollen künftig immer das Recht haben, die Identität ihres leiblichen Vaters zu erfahren. Ein dafür notwendiges Bundesregister für Samenspender will das Gesundheitsministerium aufbauen - und mit seinem Gesetz ein Vorhaben der schwarz-roten Koalition umsetzen.
Um wie viele Betroffene geht es?
In Deutschland sollen seit den 70er Jahren etwa 100 000 Kinder durch künstliche Befruchtung oder Spendersamen geboren worden sein. Diese geschätzte Zahl verbreitet beispielsweise der ehrenamtlich tätige Verein „Spenderkinder“ (Vereinsmotto: „Wenn Du auch ein Spenderkind bist - melde Dich bei uns, wir könnten Halbgeschwister sein!“).
Zehntausende Kinder in Deutschland wüssten gar nicht, wer ihr leiblicher Vater ist, schrieb „Die Welt“ vor einem Jahr - und dass auf jeden Samenspender zehn bis 15 Kinder kommen. „Ich würde schon gern wissen, wer er ist“, zitiert die Zeitung eine damals 30-jährige Frau aus Düren bei Aachen über ihren anonymen Vater.
Wie soll ein „Samenspenderregister“ laut Gesetzentwurf funktionieren?
Zu jeder Spende müssen Name und Vorname, Geburtstag, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Anschrift des Spenders von Samenbanken gespeichert werden. Diese dürften den Samen dann auch nur noch an reproduktionsmedizinische Einrichtungen übergeben, die ihrerseits verpflichtet sind, die Daten der Mutter und des Kindes festzuhalten.
Aus all diesen Angaben soll als „zentrale Auskunftsstelle“ beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Köln) das bundesweites Samenspenderregister entstehen, das die Daten zu jedem gezeugten Kind 110 Jahre lang speichern muss.
Wo steht das Projekt im Gesetzgebungsprozess?
Union und SPD nahmen „das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden“ Ende 2013 im Koalitionsvertrag auf. Die Unions-Rechtspolitiker beschlossen Anfang September, sich dafür einzusetzen, dass Kinder von Samenspendern den Namen ihres leiblichen Vaters jederzeit erfahren können. „Die Frage „Von wem stamme ich ab“ kann Menschen ihr ganzes Leben lang beschäftigen“, sagt die CDU-Fraktionsexpertin Elisabeth Winkelmeier-Becker. Samenspender sollten aber keinesfalls zum Unterhalt verpflichtet werden - und die Kinder sollten auch nicht finanziell für ihre Spender-Väter einstehen müssen. Jetzt ist der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister „in der Ressortabstimmung“, wie ein Sprecher am Samstag bestätigte.
Was sagt die Rechtsprechung dazu?
Immer wieder müssen sich Gerichte mit dem sensiblen Thema befassen.
So stellte der Bundesgerichtshof (BGH) im Januar 2015 klar, dass grundsätzlich jedes Kind - egal welchen Alters - Anspruch darauf hat, seine Abstammung zu erfahren (Az.: XII ZR 201/13). Er gab zwei Kindern aus der Nähe von Hannover Recht, die eine Reproduktionsklinik verklagt hatten. Diese hatte die Auskunft über den biologischen Vater der beiden Schwestern verweigert. Kinder anonymer Samenspender haben das Recht, den Namen ihres leiblichen Vaters zu erfahren, entschied zuvor auch das Oberlandesgericht Hamm Anfang 2013 (Az.: I-14 U 7/12).
Wie sollen Konflikte zwischen Kind und Spender verhindert werden?
Damit die Spendenbereitschaft nicht abnimmt, will Minister Gröhe nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ klarstellen, dass Samenspender rechtlich nicht zum Vater erklärt werden können - also auch vor
Unterhalts- und weiteren Ansprüchen geschützt sind. Weder Spender noch gesetzliche Eltern des Kindes sollen Anspruch darauf haben, voneinander zu erfahren. Nur dem Kind soll dieser Anspruch eingeräumt werden, ab seinem 16. Lebensjahr dürfe es ihn dann auch nur noch selbst wahrnehmen. Kind und Samenspender sollen die Informationen gleichzeitig bekommen - so dass sich auch der leibliche Vater auf eine Begegnung mit dem bisher unbekannten Sprössling einstellen kann.