Berlin (dpa)
Geräuschlos bastelt die Koalition auf den letzten Metern noch an Änderungen an ihren Plänen zur Pflegereform. Pflege-Einrichtungen warnen vor einer Welle neuer Billigangebote.
Mit ihrer Pflegereform will die Regierungskoalition in letzter Minute noch Pflege-WGs stärken. Die geplanten Möglichkeiten, Angehörige und Pflegebedürftige zu Hause etwa durch Einkaufshilfen zu entlasten, sollen abgeschwächt werden. Das sehen Änderungsanträge vor, die der Nachrichtenagentur dpa in Berlin vorliegen. Sie sollen an diesem Mittwoch den Gesundheitsausschuss des Bundestags passieren.
Am Freitag will das Parlament abschließend über die Reform beraten.
"Mit unseren Änderungen setzen wir im Endspurt noch wichtige Zeichen bei der Pflegereform, vor allem für mehr kleine Wohngruppen und für mehr Tariflöhne in der Pflege", sagte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn der dpa. Die wichtigsten Neuerungen bei den Reformplänen:
- PFLEGE-WGs: Monatliche Zuschläge für Bewohner von ambulant betreuten Wohngruppen sollen leicht auf 205 Euro erhöht und vor allem ausgeweitet werden. Betroffene sollen das Geld in mehr Fällen als bisher bekommen. Die Zahl der Pflege-WGs stieg in den vergangenen Jahren deutlich auf fast 1600 an - initiiert von Angehörigen, Vereinen oder ambulanten Pflegediensten. Die Grünen sehen unter Berufung auf Regierungsangaben die bisherigen Finanzierungskonzepte aber teils als gescheitert an. Nötig seien mehr Beratung und klare Kriterien für die Qualität von Pflege-WGs, so die Grünen.
- LOHN: Per Änderungsantrag sollen den Pflegeeinrichtungen auch Anreize für höhere Löhne gegeben werden: Die Bezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen soll etwa nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. Heime und Dienste sollen also bei höheren Löhnen auch ihrerseits mehr Geld bekommen.
- HELFER: Wirbel hatte der bereits vorgesehene Plan verursacht, bestimmte niedrigschwellige Angebote zu schaffen. So sollen Mittel für professionelle ambulante Dienste künftig auch verstärkt etwa für Einkaufshilfen, Helfer für Botengänge oder Betreuung benutzt werden dürfen. Der Betrag hierfür soll nun aber statt bis zu 50 nur bis zu 40 Prozent der Mittel für ambulante Pflegesachleistungen ausmachen dürfen. Zudem sollen später Erfahrungen damit ausgewertet werden.
Gegen diese Pläne protestieren die Träger dennoch heftig. "Hier entstehen völlig unkontrollierte Angebote, die sich keinerlei Qualitätsanforderungen unterwerfen müssen", sagte der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, der dpa. Angehörige würden vermehrt zur "Billigversion" von Pflege greifen - neue prekäre Jobs entstünden. Der Sozialverband Deutschland hielt dem entgegen, die Pläne würden die häusliche Versorgung verbessern und manchmal überhaupt erst ermöglichen.
Am Kern ihrer Pflegereform will die Koalition nichts mehr ändern: Zum 1. Januar sollen die Pflegeleistungen um vier Prozent steigen. Die Zahl von Betreuungskräften in Heimen soll sich auf 45 000 fast verdoppeln. Kurzzeit- und Verhinderungspflege soll verstärkt gewährt werden - für bis zu vier Wochen Heimaufenthalt eines zu Hause Gepflegten pro Jahr oder für ambulante Pflege. In einem Pflegevorsorgefonds sollen bis 2033 Milliarden angespart werden, um Beitragssprünge zu verhindern, wenn starke Geburtsjahrgänge ins Pflegealter kommen. Der Pflegebeitragssatz soll zum 1. Januar 2015 von 2,05 Prozent (Kinderlose: 2,3 Prozent) um 0,3 Punkte steigen.
Weitere 0,2 Punkte kommen später dazu, wenn vor allem viele Demenzkranke in die Pflegeversicherung aufgenommen werden.