Berlin (dpa)
Zuletzt waren in Deutschland rund 137 000 Menschen nicht krankenversichert. Die Koalition will den sozialen Sprengstoff entschärfen. Doch reicht die geplante Hilfe aus?
Der Sozialverband Deutschland hat die geplanten Hilfen für Menschen ohne Versicherungsschutz im Krankheitsfall als unzulänglich kritisiert. Betroffene sollen dem Gesetzentwurf der Koalition zufolge künftig leichter in eine gesetzliche Krankenkasse zurückkehren können. Das ist ein Kernbestandteil eines Gesetzes, das heute (Freitag/vormittags) im Bundestag verabschiedet werden soll.
Die Nichtversicherten sollen die Chance erhalten, sich bis Ende des Jahres bei einer Kasse zu melden. Die Versicherung soll ihnen dann die eigentlich anfallenden Nachzahlungen stunden oder erlassen. Viele Obdachlose oder Selbstständige mit wenig Einkommen sind seit vielen Jahren nicht krankenversichert.
Der Präsident des Sozialverband Deutschland, Adolf Bauer, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die Pläne würden den hier verborgenen sozialen Sprengstoff höchstens kurzfristig entschärfen.
"Denn auf lange Sicht sieht das Gesetz bisher keine verbindlichen Regelungen für Nichtversicherte vor." Wer sich nach dem 31. Dezember melde, habe ein Problem. "Dann läuft die Frist ab."
Mit dem Gesetz will die Koalition zudem die als Wucherzinsen kritisierten Säumniszuschläge von derzeit bis zu 60 Prozent im Jahr auf ausstehende Beiträge der Krankenkassen auf höchstens zwölf Prozent im Jahr senken. Für Privatversicherte soll ein Notlagentarif eingeführt werden, der rückwirkend gelten soll, um die Betroffenen zu entlasten.
Bauer kritisierte: "Für die Menschen, die bereits in der Schuldenfalle sitzen, sind keine Hilfen vorgesehen." Das sei ein sehr ernstes Problem. Allein rund 150 000 Privatversicherte seien betroffen. "Bei den gesetzlich Krankenversicherten gehen wir von rund 1,5 Millionen Betroffenen aus." Deshalb fordere sein Verband weitergehende Lösungen.
Zudem sollen die rund 2000 Krankenhäuser in Deutschland eine Finanzspritze von 1,1 Milliarden Euro bekommen. Dies soll in demselben Gesetzespaket abgestimmt werden. "Ab dem 1. August fließt das Geld", sagte Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) der dpa. "Uns war daran gelegen, die schwierige Arbeit in den Kliniken schnell zu unterstützen."
Im Vergleich zu Plänen von vor wenigen Monaten änderte die Koalition die Art der Finanzspritze. Ursprünglich war geplant, über einen bestimmten Mechanismus sicherzustellen, dass trotz der Zuschläge nicht immer mehr operiert wird. Die konkrete Regelung hatte sich aber nach Angaben aus Koalitionskreisen zu kompliziert erwiesen.
Nun solle ab August ein einprozentiger Zuschlag auf die Pauschalen kommen, den die Kliniken für ihre Leistungen erhalten, erläuterte Singhammer. Dies mache allein für 2013 noch ein Plus von 250 Millionen Euro aus. Dazu komme im laufenden Jahr noch mehr Geld zum Ausgleich von Tarifsteigerungen in Höhe von 150 Millionen Euro.
Weitere 17 Millionen flössen bis Jahresende für mehr Hygiene in den Krankenhäusern. Eingedämmt werden sollten die weit verbreiteten und hochgefährlichen Keime, die gegen Antibiotika resistent sind. Die weiteren geplanten Millionenbeträge sollen im kommenden Jahr fließen, für mehr Hygiene auch noch 2015 und 2016.
"Wir haben Signale, dass sich der Bundesrat dem Gesetz nicht in den Weg legen wird", sagte Singhammer. Dort könnten die rot-grün regierten Länder das Gesetz aufhalten. Ein Gutachten für strukturelle Verbesserungen über die geplante Soforthilfe hinaus werde derzeit zudem für die kommende Legislaturperiode erarbeitet.
Als Reaktion auf den Organspendeskandal soll es zudem eine Rechtsverschärfung geben. Ärzte sollen bei Manipulationen bei der Organvergabe mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden können.