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KEIN ARZT TROTZ HAUSNOTRUF - MÜSSEN DIE JOHANNITER ZAHLEN?

Eine Notrufanlage in der eigenen Wohnung - bei Senioren wird das immer beliebter. Nun entschied der Bundesgerichtshof über einen der ersten Haftungsfälle.

Karlsruhe (dpa)

Eine Notrufanlage in der eigenen Wohnung - bei Senioren wird das immer beliebter. Nun entschied der Bundesgerichtshof über einen der ersten Haftungsfälle.

Über den Hausnotruf geht nur noch ein Stöhnen ein. Zu Hilfe geschickt werden aber Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Kein Arzt. Dabei war bekannt, dass der Mann ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall hatte. Zwei Tage später wird er halbseitig gelähmt und mit einer Sprachstörung in seiner Wohnung gefunden. Muss die Johanniter Unfallhilfe, die den Notruf betreute, nun Schadenersatz und Schmerzensgeld zahlen? Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von Donnerstag ist das gut möglich. (Az.: III ZR 92/16)

Was wollen die Kläger?

Der Mann selbst starb noch während des Berufungsverfahrens. Seine Töchter führen das Verfahren aber weiter. Sie wollen Schadenersatz und mindestens 40 000 Euro Schmerzensgeld.

Worauf stützen sie ihre Forderungen?

Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes setzten den Mann auf seiner Couch ab. Damit endete ihr Einsatz. Einen Arzt riefen sie nicht, sie ließen ihn vielmehr alleine in seiner Wohnung zurück. Zwei Tage später kam er ins Krankenhaus, wo ein nicht ganz neuer Schlaganfall diagnostiziert wurde. Die Klägerinnen sind deshalb der Meinung, ihr Vater habe am Tag des Notrufs einen Schlaganfall erlitten - und die gravierenden Folgen wären vermieden worden, wenn der Mitarbeiter, der den Notruf entgegen genommen hatte, medizinisch qualifizierte Rettungskräfte geschickt hätte. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Was hat der Bundesgerichtshof nun entschieden?

„Das scheint uns schon ziemlich daneben zu sein, wie das Berufungsgericht die Sache gewürdigt hat“, sagte der Vorsitzende Richter, Ulrich Herrmann, in der Verhandlung. Minutenlang sei über den Notruf nur ein Stöhnen zu hören gewesen. Ein akuter medizinischer Notfall habe sich deshalb aufgedrängt, heißt es im Urteil. Mitarbeiter mit einer bloßen Erste-Hilfe-Ausbildung zu schicken, sei keine angemessene Hilfe gewesen.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Bundesgerichtshof hat die Sache zurückverwiesen an das Berliner Kammergericht. Dort wird es neben der Höhe des Schadenersatzes darum gehen, ob die Pflichtverletzung der Johanniter ursächlich war für Lähmung und Sprachstörung des Mannes. In der Regel muss das der Kläger beweisen. Umgekehrt ist die Beweislast etwa bei groben Behandlungsfehlern eines Arztes. Diesen Grundsatz übertrugen die Karlsruher Richter jetzt auch auf den Hausnotrufvertrag.

Gab es schon weitere Haftungsfälle bei Hausnotrufen?

„Das ist der erste, von dem ich höre“, sagt Anne-Katrin Wiesemann von der Verbraucherzentrale Sachsen. Die geforderte Schmerzensgeldsumme von 40 000 Euro hält sie für „ziemlich spektakulär“. Selbst bei Behandlungsfehlern gebe es in der Regel weniger. Sowohl bei den Johannitern als auch beim Arbeiter-Samariter-Bund hat es nach eigenen Angaben bisher keine vergleichbaren Fälle gegeben.

Wie verbreitet sind solche Notknöpfe?

„Der Markt wächst“, sagt der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. „Rund 100 Millionen Euro geben Pflegebedürftige jährlich für diese Dienste aus.“ Allein den Hausnotruf der Johanniter nutzen bundesweit derzeit mehr als 150 000 Menschen, 80 000 sind es beim Arbeiter-Samariter-Bund. Beide beobachten eine steigende Nachfrage.

Ist es normal, dass kein Rettungswagen gerufen wird?

„Jeder Notfall wird individuell bearbeitet“, sagt Johanniter-Sprecherin Therese Raatz. Das heißt: Unter Umständen werden nur Angehörige, Nachbarn oder das Pflegepersonal benachrichtigt. Ebenso sei aber auch eine Alarmierung des Rettungsdienstes möglich. Entscheidend seien der Zustand des Anrufers und die medizinische Indikation.

Welche Ausbildung haben die Mitarbeiter im Hausnotruf?

„Die Mindestanforderung für alle ist eine Erste-Hilfe-Ausbildung“, sagt Raatz. Bei den Johannitern seien unter den Mitarbeitern beispielsweise Sanitätshelfer, Pflegefachkräfte und Rettungssanitäter. Aus Sicht von Verbraucherschützerin Wiesemann ist es wichtig, bei Vertragsschluss darauf zu achten, dass im Hintergrund qualifizierte Mitarbeiter stehen – „dass das nicht nur eine Seelsorge-Nummer ist“.

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