Berlin (dpa)
Raucher, die auch bei Kälte draußen qualmen müssen - inzwischen ist das ein gewohntes Bild. Das Rauchen in der Öffentlichkeit wurde in den vergangenen Jahren immer weiter eingeschränkt. Nun kommt ein weiteres Verbot.
Waren das noch Zeiten, als der Marlboro-Mann in Richtung Abendsonne ritt und das HB-Männchen nicht gleich unter die Decke gehen sollte: Rauchen, so suggerierte es die Zigarettenwerbung, ist Abenteuer und Entspannung. Diese gespielte Naivität wirkt heute angesichts von Millionen Tabaktoten komisch. Längst sind die Spots aus dem Fernsehen verschwunden, Formel-1-Autos schmücken auch keine Zigaretten-Banner mehr. Stattdessen: Schockfotos von schwarzen Lungen und dunklen Geschwüren auf den Verpackungen. Und jetzt soll auch die letzte Bastion der Tabakreklame fallen.
Nach jahrelangem Streit will die Bundesregierung die Plakatwerbung ab 2022 schrittweise verbieten - als letztes EU-Land. Von Außenflächen, etwa Plakatwänden und Haltestellen, sollen die Bilder am 1. Januar 2022 verschwinden. Auch die neuen Rauchangebote sind betroffen. Das Plakatverbot für Tabakerhitzer soll ab 1. Januar 2023 greifen, für E-Zigaretten ab 1. Januar 2024.
Bereits in etwas mehr als einem Jahr soll Kinowerbung für Tabak bei Filmen, die frei für Jugendliche unter 18 sind, tabu sein. Schluss sein soll dann auch mit dem Verteilen von Gratis-Proben außerhalb von Fachgeschäften - zum Beispiel bei Musikfestivals - und Tabakprodukten als Gewinnen bei Preisausschreiben.
Der allmählichen Verbannung der Zigarette aus den meisten öffentlichen Räumen geht eine lange Verbotsgeschichte voraus. Dass Raucher heute etwa bei klirrender Kälte auf der Straße oder auf Flughäfen in Glaskästen zusammenkommen müssen, ist längst ein gewohnter Blick.
Dabei gehörte Rauchen einmal wie selbstverständlich zu Alltag und Medienrealität. Das lässt sich in der US-Serie „Mad Men“ gut nachempfinden. In dem Sittengemälde der 60er Jahre qualmen der New Yorker Werbemann Don Draper (Jon Hamm) und seine Kollegen ihre Büros voll (und trinken ständig Whisky). Bei den Dreharbeiten war allerdings kein Tabak im Spiel. „Schauspieler sollten nicht rauchen, die werden sonst aufgeregt und nervös“, berichtete Serien-Erfinder Matthew Weiner der „New York Times“. Die Hollywood-Stars bekamen Kräuterzigaretten.
Wenn Rauchen also weiterhin zur Populärkultur gehört - welchen Sinn haben Bilderverbote gegen Rauchen? „Werbung ist nur beschränkt wirksam“, sagt der Kommunikationsexperte Clemens Schwender. Vielmehr spielten andere Faktoren eine Rolle, damit jemand zur Zigarette greift, etwa das Verhalten von Familie und Freunden, bei Jugendlichen auch die Mitschüler.
„Was Werbung aber kann, ist Optionen darzustellen“, sagt der Fachmann für Medienpsychologie. Spots und Reklamen erinnerten die Betrachter daran, dass es eben diese Möglichkeit zum Rauchen gibt. Damit verbunden stehe immer wieder auch die Sehnsucht nach einem Lebensstil: Freiheit, Abenteuer, Erfolg - die Tabakkonzerne bringen sich immer wieder damit in Verbindung, sagt Schwender.
„Werbung wirkt“, heißt es in einem CDU/CSU-Positionspapier zu den anstehenden Einschränkungen. Tabakwerbung erreiche nicht nur aktive Raucher, sondern auch junge Menschen, die mit dem Rauchen beginnen. Dies sei durch eine Vielzahl von Studien belegt.
„Ärzte rauchen eher Camel als jede andere Zigarette“, hieß es sinngemäß in einem US-Kinospot der 40er Jahre. Das klingt heute arg plump. Längst hat die Tabakindustrie eine neue Sprache entdeckt. Der Tübinger Werbeforscher Guido Zurstiege spricht von einer „erst recht“-Rhetorik. Sprüche wie „Ich rauche gern“, „Ich bin, wer ich bin“ oder „Ich rauche, weil ich rauche“ sollen die Frage „Warum tust du das?“ vorwegnehmen, sagte Zurstiege der „Süddeutschen Zeitung“.
Die Werbeindustrie sieht in dem bevorstehenden Ende der Plakatwerbung einen „beispiellosen Fall“ in Deutschland. Werbung, die Kinder und Jugendliche anspricht, sei ohnehin verboten. „Die beabsichtigten Maßnahmen bedeuten ein faktisches Totalverbot der Werbung für ein legal hergestelltes und gegenüber Erwachsenen frei handelbares Produkt“, erklärt der Branchenverband ZAW. Es sei realitätsfern, Erwachsenen die Souveränität abzusprechen, sachgerecht mit Tabakwerbung umzugehen.