Berlin (dpa)
Bald ist die Wahlperiode vorbei - um eine Großreform bei der Pflege wird immer noch gerungen. In dem entscheidenden Expertengremium liegen die Nerven teils blank.
Für die 2,4 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland ist nach Ansicht des Deutschen Pflegerats ein umfassender Neuansatz in Politik und Gesellschaft nötig. "Wir brauchen eine andere Form der gesellschaftlichen Debatte darüber, was uns Pflege älterer Menschen heute wert ist", sagte Präsident Andreas Westerfellhaus der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Arbeit von Regierungsberatern an offiziellen Vorschlägen für die größte Reform seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 schwieriger ist als erwartet. In den vergangenen Tagen rangen die Berater hinter verschlossenen Türen intensiv um die Details und mögliche Kosten - unter anderem in einer rund zehnstündigen Sitzung bis tief in die Nacht, wie die dpa aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Die Nerven sollen bei einigen blank gelegen haben.
Das von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eingesetzte Gremium listet auf, wie ein neuer Pflegebegriff aussehen soll. Dieser soll bewirken, dass vor allem die immer zahlreicheren Demenzkranken anders und umfassender als Empfänger von Leistungen aus der Versicherung anerkannt werden. Die Zahl der Demenzkranken dürfte sich nach Expertenschätzungen von heute 1,2 Millionen auf 2,5 Millionen im Jahr 2060 verdoppeln.
"Wir hatte eine Explosion der Fälle, da hätte die Politik gegensteuern müssen", sagte Westerfellhaus. In vielen Heimen herrschten schlechte Zustände. "Wir haben sehr gute Einrichtungen, aber es ist immens schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen", sagte Westerfellhaus. "Es gibt auch Heime, in denen es passiert, dass Menschen in die Eingangshalle gefahren werden und abends wieder ins Zimmer - das ist deprimierend."
Der Bundesregierung warf der Präsident des Pflegerats ein weitgehendes Scheitern vor. Hintergrund der Vorwürfe ist, dass der Expertenbeirat schon Anfang 2009 erste Vorschläge ausgearbeitet hatte. Bahr hatte das Gremium danach in anderer Zusammensetzung erneut einberufen.
"Die Experten haben eine gute Arbeit geleistet", sagte Westerfellhaus, "aber es bedarf politischer Entscheidungen." Dass nun erst in der letzter Sitzungswoche des Bundestags in dieser Wahlperiode der Bericht vorgelegt werden solle, sei ein Offenbarungseid für die Koalition.
Unklar blieb vor allem bis zuletzt, was eine neue große Pflegereform kosten würde. Bereits am 1. Januar trat eine Pflegereform in Kraft. Unter anderem können Menschen mit Demenz zu Hause mehr Unterstützung bekommen.