Berlin (dpa)
Die Vorschläge einer Regierungskommission des Bundes zur Krankenhausreform verstoßen nach Ansicht eines Gutachtens gegen die in der Verfassung verankerte Gesetzgebungskompetenz der Länder. „Das Grundgesetz sieht weder für das Krankenhauswesen im Allgemeinen noch für die Krankenhausplanung im Besonderen eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes vor“, heißt es in dem 144-seitigen Rechtsgutachten, das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. In Auftrag gegeben wurde es von den drei unionsgeführten Gesundheitsministerien in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nannte es richtig, auch die rechtlichen Aspekte zu analysieren. Das Gutachten befasse sich aber mit überholten Reformplänen und werde von anderen Gutachtern auch so nicht bestätigt. „Die Diskussion ist inzwischen wesentlich weiter“, sagte der SPD-Politiker. Die dringend notwendige Reform werde gemeinsam mit den Ländern erarbeitet. „Der übliche Gutachterstreit darf und wird das Krankenhaussterben nicht verlängern.“
Verfasser des Länder-Gutachtens ist Ferdinand Wollenschläger, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht in Augsburg. Er sollte die Verfassungsmäßigkeit der Expertenvorschläge untersuchen. Seiner Studie zufolge müssen den Ländern auch nach der Reform eigenständige erhebliche Gestaltungsspielräume für die Krankenhäuser verbleiben. Der Bund dürfte verkürzt gesagt keine Regelungen treffen, die Einfluss auf die Krankenhausstruktur eines Bundeslandes haben.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte: „Das Gutachten zeigt, dass die Vorschläge der Regierungskommission nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen.“ Nordrhein-Westfalens Minister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte: „Das Gutachten zeigt auf, wo dem Bund bei seiner Reform Grenzen durch die Planungshoheit der Länder gesetzt sind.“ Schleswig-Holsteins Ressortchefin Kerstin von der Decken (CDU) sagte: „Eine Reform der Krankenhausfinanzierung ist wichtig - insbesondere um die notwendige Versorgung in der Fläche nachhaltig auf sichere Beine zu stellen.“ Nach derzeitigem Stand würde sie aber auch Vorgaben zur Krankenhausplanung machen und damit massiv in die Planungshoheit der Länder eingreifen, kritisierte die CDU-Politikerin.
Das im Dezember vorgelegte Konzept der Expertenkommission ist die Grundlage, an der sich die Gesetzespläne orientieren sollen. In Bund-Länder-Beratungen sind aber schon einige andere Akzentsetzungen deutlich geworden. Im Kern soll das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden, um Kliniken von ökonomischem Druck zu lösen. Um nicht auf immer mehr Fälle angewiesen zu sein, sollen sie einen größeren Anteil allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Im Blick steht auch, das Kliniknetz in drei Versorgungsstufen einzuordnen und entsprechend zu finanzieren - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte, es sei gut, dass die Länder mit Gutachten noch einmal ihre besondere Verantwortung und Zuständigkeit für die Kliniken untersuchen ließen. Viele Häuser seien inzwischen selbst krank, weil wirkungsvolle Vorsorge seitens der Länder in Vergangenheit leider ausgeblieben sei. Eine „kaputte Klinikinfrastruktur“ an zu vielen Standorten sei nicht mehr nur ein Problem für die Wirtschaftlichkeit, sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. „Sie führt auch dazu, dass die Qualität der Patientenversorgung immer mehr leidet.“ Die Reform werde den Ländern wirkungsvolle Steuerungsinstrumente geben. Dabei sei es originäre Aufgabe des Bundes, auf die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Sozialversicherungen zu achten, also auch der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen zur Finanzierung der Klinikbehandlungen.
Kritiker der Reformpläne fürchten, dass dadurch die Notfallversorgung und die reguläre stationäre Versorgung in vielen Krankenhäusern nicht aufrechterhalten werden kann. Bayern präsentierte dazu schon im Februar eine Studie, wonach jedes achte Krankenhaus im Freistaat gefährdet sei. Auch seitens der Kommunen war wiederholt vor einem Kollaps in der Krankenhausversorgung gewarnt worden.