Berlin (dpa)
Kleiner Verdienst - kleine Rente: Nun will die Regierung mehr als einer Million Menschen unter die Arme greifen, die im Alter nur mit Mühe über die Runden kommen. Die Regeln sind alles andere als einfach.
Über wenige Projekte hat die Koalition so viel gestritten wie über die Grundrente. Nun will das Bundeskabinett grünes Licht für den Aufschlag auf Minirenten geben. Ein Überblick über die komplizierte Konstruktion und ihre Auswirkungen:
Was ist das Ziel der Grundrente?
Geholfen werden soll all jenen Menschen, die jahrelang zwar gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben - deren Verdienst aber nicht groß genug für eine auskömmliche Rente war. Ihre Lebensleistung soll anerkannt, ihnen soll der Gang zum Sozialamt erspart werden. Grundsicherung im Alter bezogen zuletzt 556 640 Menschen. Viele beantragen die Leistung aber nicht. Je nach Wohnkosten kann die Grundsicherung etwa 800 bis 900 Euro betragen. Derzeit gibt es 8,98 Millionen Alters- und Erwerbsminderungsrenten unter 800 Euro, das heißt aber vielfach nicht, dass die Betroffenen arm wären. Viele haben einfach nur kurz in die Rentenkasse eingezahlt. 4,1 Millionen Vollzeitbeschäftigte kamen zuletzt nur auf niedrige Löhne.
Wer soll Grundrente bekommen?
Im Startjahr 2021 1,3 Millionen Menschen, davon 70 Prozent Frauen. Nämlich Menschen mit Minirenten, die mindestens 33 Jahre Rentenbeiträge aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit aufweisen. Der Zuschlag soll zunächst gestaffelt werden - bei 35 Beitragsjahren soll er die volle Höhe erreichen. Grundrente bekommen sollen zudem nur jene mit einem Einkommen unter bestimmten Grenzen.
Wie hoch sind die geplanten Einkommensgrenzen?
Den vollen Aufschlag erhalten nur diejenigen, deren monatliches Einkommen als Rentner bei maximal 1250 Euro (Alleinstehende) und 1950 Euro (Eheleute oder Lebenspartner) liegt. Einkommen über dieser Grenze sollen zu 60 Prozent auf die Grundrente angerechnet werden. Bei 1300 Euro Einkommen eines Alleinstehenden würden also 50 Euro zu 60 Prozent angerechnet - die Grundrente fiele 30 Euro niedriger aus. Liegt das Einkommen bei mehr als 1600 Euro beziehungsweise 2300 Euro, soll es zu vollen 100 Prozent auf den Grundrentenzuschlag angerechnet werden. Hat ein Ehepaar also zum Beispiel 2400 Euro Einkommen, vermindert sich die Grundrente um 100 Euro.
Was soll bei der Einkommensprüfung berücksichtigt werden?
Das zu versteuernde Einkommen etwa durch Mieteinkünfte, eine Pension, oder Beträge betrieblicher oder privater Vorsorge wird geprüft. Dazu kommt der steuerfreie Teil von Renten und Kapitalerträge, die nicht bereits im zu versteuernden Einkommen enthalten sind. Werbungskosten und Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung werden abgezogen. Angaben über das zu versteuernde Einkommen liegen in der Regel nur für das vorvergangene Jahr vor, Neurentner bekommen die Grundrente im ersten Jahr somit möglicherweise erst einmal nicht - die Einkommensprüfung soll aber einmal jährlich wiederholt werden.
Wie soll die Grundrente berechnet werden?
In einem komplizierten Verfahren. In die Berechnung fließen nur Zeiten ein mit Beiträgen, die 30 bis 80 Prozent des jährlichen Durchschnittseinkommens entsprechen. Im vergangenen Jahr betrug diese Spanne etwa 972 bis 2593 Euro brutto.
Wie funktioniert die Berechnung konkret?
Im Grundsatz werden die Entgeltpunkte aufgewertet, mit denen die Rente insgesamt errechnet wird. Ein Durchschnittsverdiener bekommt pro Jahr einen solchen Punkt. Für jeden Punkt gibt es derzeit im Westen 33,05 Euro Rente und im Osten 31,89 Euro pro Monat. Für die Zeiten mit nur geringen Rentenanwartschaften, die die Grundrente auslösen, werden die Entgeltpunkte erhöht: Nämlich für 35 Jahre auf das Doppelte des Durchschnittswerts der erworbenen Punkte - höchstens aber auf 0,8 Punkte. Dann wird der Wert wieder verringert, um 12,5 Prozent. Die so erreichte Verringerung des Zuschlags bewirkt, dass mehr Beitrag mehr Gesamtrente bringt.
Was kann das zum Beispiel bei einer Rente von rund 750 Euro bedeuten?
Das kommt auf den Fall an. Beispiel 1: Eine Sekretärin im Westen mit 38 Versicherungsjahren und zwei Kindern. Für die Grundrente werden nur 26 Jahre berücksichtigt, denn in den anderen Jahren kam sie nur auf Beiträge, die weniger als 30 Prozent des Durchschnittslohns betragen. In den 26 Jahren aber kam sie auf 70 Prozent. Die Rente beträgt 754 Euro - der Grundrentenzuschlag 75 Euro. Beispiel 2: Eine Verkäuferin in Dresden mit 39 Arbeitsjahren mit 60 Prozent des Durchschnittslohns ohne andere Einkünfte bekommt 746 Euro Rente – und 195 Euro Zuschlag.
Wie hoch sind die Kosten - und wie groß der Verwaltungsaufwand?
Im Startjahr 2021 soll die Grundrente die Steuerzahler 1,3 Milliarden Euro kosten. Bei 1,3 Millionen Empfängern bedeutet dies rechnerisch einen Durchschnittszuschlag von rund 83 Euro im Monat. Beantragen müssen soll man die Grundrente nicht. Auch der Datenabgleich für die Einkommensprüfung soll automatisch klappen. Die Rentenversicherung bekommt trotzdem viel zu tun. So sollen etwa 640 Beschäftige ein Jahr lang brauchen, um zu prüfen, ob Menschen, die bereits Rente beziehen, auch den Aufschlag erhalten. 650 Beschäftigte sollen bei Bestandsrentnern ausländische Einkommen prüfen, die nicht automatisch abgeglichen werden können. Vorgesehen sind auch Abfragen beim Bundeszentralamt für Steuern und Kreditinstituten für die geforderten Angaben zu Kapitalerträgen.
Was ist im Gesetzespaket noch enthalten?
Eine Unterstützung für jene, die zu wenig für Grundrente verdient haben: Wer 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt, aber besonders wenig verdient hat und Grundsicherung braucht, soll einen Freibetrag in der Grundsicherung von zunächst maximal 216 Euro erhalten. Außerdem soll zum Schutz bei steigenden Mietkosten verhindert werden, dass die Grundrente voll beim Wohngeld angerechnet wird - auch dieser Freibetrag soll maximal 216 Euro betragen. Die Gesamtkosten für den Bund für das Gesetzpaket sollen auf 1,9 Milliarden Euro 2025 steigen.