Berlin (dpa)
Einen massiven Eingriff ins Streikrecht fürchten vor allem die kleineren Gewerkschaften in Deutschland. Die Regierung verneint das - und verteidigt ihre Pläne zur Tarifeinheit ohne jedes Zugehen auf Kritiker.
Die Gegner des geplanten Gesetzes zur Tarifeinheit machen mobil - die Bundesregierung hält ohne Abstriche an ihren umstrittenen Plänen fest. Das macht die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion deutlich, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Montag in Berlin vorlag. Am Vormittag wollen die Kritiker des Gesetzes vor die Parteizentralen von CDU und SPD in Berlin ziehen. Der Gesetzentwurf soll an diesem Donnerstag im Bundestag erstmals beraten werden.
Die Regierung will, dass in Betrieben mit mehreren Tarifverträgen für gleiche Beschäftigtengruppen nur noch der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gilt. Die Macht kleinerer Gewerkschaften wie jener der Lokführer, GDL, würde eingeschränkt.
Einen Überblick über neuere, kleine Gewerkschaften oder das damit verbundene Streikgeschehen hat die Regierung selbst aber nicht, wie sie in ihrer Antwort einräumt: "Über die Anzahl der neugegründeten Gewerkschaften und der von ihnen geführten Arbeitskämpfe liegen der Bundesregierung keine statistischen Angaben vor."
Verfassungsrechtliche Bedenken weist die Regierung in ihrer Antwort an die Grünen zurück: "Den verfassungsrechtlichen Belangen von Minderheitengewerkschaften trägt der Gesetzentwurf durch ein vorgelagertes Anhörungsrecht und ein nachgelagertes Nachzeichnungsrecht Rechnung." Durch Letzteres sollen die Minderheitsgewerkschaften auch für ihre Mitglieder den Schutz des Tarifvertrags erreichen können.
Die Grünen-Expertin für Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmeke, die die umfangreiche Anfrage gestellt hatte, sagte der dpa: "Die Bundesregierung hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken, alle anderen aber schon." Auch nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags dürften die Pläne gegen das Grundgesetz verstoßen.
Kritiker wie der Beamtenbund (dbb) mit seinem Mitglied GDL oder wie die Ärztegewerkschaft Marburger Bund haben bereits einen Gang nach Karlsruhe angekündigt, wenn das Gesetz wie geplant kommt. Wenn nur der Tarifertrag der Mehrheitsgewerkschaft gelte, dann verliere die in der Minderheit befindliche Konkurrenz faktisch ihre Daseinsberechtigung und ihr Streikrecht, so das Kernargument.
Schwarz-Rot ignoriere die Bedenken von Gutachten und Stellungnahmen, kritisierte Müller-Gemmeke. "Alle Beschäftigten haben das Recht, sich zu organisieren und müssen in letzter Konsequenz auch das Recht haben, für ihre Anliegen zu streiken."
Von diesem Montag an protestieren der dbb und seine Mitgliedsgewerkschaften gegen den Gesetzentwurf - mit Mahnwachen vor den Parteizentralen von CDU und SPD bis Donnerstag. dbb-Chef Klaus Dauderstädt will am Vormittag vor der CDU-Zentrale eintreffen - begleitet vom Marburger-Bund-Vorsitzenden und CDU-Abgeordneten Rudolf Henke.
Vor die SPD kommen unter anderem der dbb-Tarifexperte Willi Russ und der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky. Vor allem die massiven Bahnstreiks im Oktober und November hatten den Ruf nach dem lange geplanten Tarifeinheitsgesetz lauter werden lassen.