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FITNESSDATEN: CHANCEN UND RISIKEN FÜR VERBRAUCHER UND VERSICHERUNGEN

Seit gut einem Jahr ist der Versicherer Generali mit Tarifen für gesunde Lebensweise auf dem Markt. Zum Start war die Aufregung groß. Welche Folgen hat das Modell für Verbraucher und die Branche bisher?

Frankfurt/Main (dpa)

Seit gut einem Jahr ist der Versicherer Generali mit Tarifen für gesunde Lebensweise auf dem Markt. Zum Start war die Aufregung groß. Welche Folgen hat das Modell für Verbraucher und die Branche bisher?

Sie messen Schritte, errechnen verbrauchte Kalorien und erheben jede Menge individuelle Daten: Fitnessarmbänder (Wearables) oder Fitnessapps liegen im Trend. Die Nutzung der Datenflut könnte den Versicherungsmarkt umkrempeln und Folgen für Verbraucher haben. Noch gibt es allerdings eine Menge Fragezeichen.

Einen ersten Schritt, gesunde Lebensweise mit einem Belohnungssystem bei der Berufsunfähigkeits- sowie der Risikolebensversicherung zu verbinden, wagte vor gut einem Jahr der Versicherungskonzern Generali in Deutschland. Zunächst wird der Gesundheitszustand des Versicherten ermittelt. Anschließend sammelt er mit Joggen oder dem Kauf von gesunden Lebensmitteln Punkte fürs Rabatt-Konto. Die Daten werden per Fitness-Armband oder Kassencomputer an eine Generali-Tochter übermittelt.

Das Unternehmen wirbt damit, dass die Prämie für die Berufsunfähigkeitsversicherung oder Risikolebensversicherung dadurch im Idealfall um 16 Prozent sinken kann. „Das Interesse der Kunden ist durchaus groß“, sagt ein Generali-Sprecher. Genaue Zahlen will das Unternehmen am Jahresende nennen.

Nachahmer im großen Stil hat das Modell Branchenexperten und Verbraucherschützern zufolge in Deutschland bisher allerdings nicht gefunden. „Man braucht eine langfristige und stabile Datenbasis, die den Zusammenhang zwischen Verhalten und den Auswirkungen auf bestimmte Risiken sicher abbildet“, erläutert Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Jemand, der täglich 10 000 Schritte geht, muss nachweisbar ein geringeres Sterberisiko haben, als jemand, der das nicht macht. Von solchen Daten sind wir aber noch weit entfernt.“

„Ob daraus ein breiter Trend wird, hängt von der Weiterentwicklung der Datenerfassung ab“, sagt auch Reiner Will, Geschäftsführer der auf Versicherungen spezialisierten Ratingagentur Assekurata. Generali habe durch seine Kooperation mit dem südafrikanischen Unternehmen Discovery, das das Gesundheitsprogramm entwickelt hat, vermutlich einen gewissen Vorsprung.

Will sieht allerdings ein grundsätzliches Problem: „Mit Fitness-Tarifen spreche ich Menschen an, die ohnehin schon gesundheitsbewusst leben. Ob man das auf andere Menschen übertragen kann, wird man sehen.“ Generell müsse sich die Branche überlegen, ob sie sich künftig vor allem auf attraktive Zielgruppen konzentrieren wolle. „Wenn alle nur um einige wenige fitte Kunden buhlen, könnte der Umsatz sinken.“

Der Bund der Versicherten kritisiert Fitness-Tarife als „ein reines Lockmittel, um sich die jungen, gesunden, fitten und gesundheitsbewussten Menschen als Versicherte zu sichern“. Doch was passiere, wenn sich bei vielen, die einen Bonus bekommen haben, das Verhalten ändere: „Statt Sport also Couch und rauchen, statt Gemüse sind auf einmal Chips angesagt“. Sind dann „extreme Beitragssteigerungen zu fürchten“?

Auch aus der Branche selbst kommen skeptische Töne: „Fitness ist gut, aber Wearables sind aus unserer Sicht bisher eher Spielzeug“, sagt der Chef der Alten Leipziger, Walter Botermann. „Es sollen bereits Hunde mit mehreren Armbändern gesehen worden sein, die für ihre Auftraggeber die notwendige Schrittzahl erlaufen.“

Etwas anders sieht es in der Krankenversicherung aus: Die elf Landes-AOKen, die von den jeweiligen Sozialministerien beaufsichtigt werden, bieten seit geraumer Zeit Bonusprogramme an, die gesundheitsbewusstes Verhalten belohnen. „Den bundesweit tätigen gesetzlichen Krankenversicherungen hat das Bundesversicherungsamt dagegen Wahltarife verboten“, erläutert Gatschke. „In der privaten KV wiederum muss die Prämie laut Kalkulationsverordnung anhand der durchschnittlichen Pro-Kopf-Schäden berechnet werden.“

Gatschke rechnet allerdings damit, dass die Verwendung großer Datenmengen langfristig bei Versicherungen auf breiter Front Einzug halten wird - mit entsprechenden Folgen für die Prämiengestaltung. In der Kfz-Versicherung sind Tarife, bei denen sich die Fahrweise auf die Prämie auswirkt, bereits verbreiteter. Geschwindigkeit, Brems-, Beschleunigungs- und Lenkverhalten werden erfasst, vorsichtiges Fahren wird belohnt.

Die Frage der Daten-Nutzung sollte möglichst jetzt in einer Ethik-Kommission diskutiert werden, empfiehlt Gatschke. „Die Frage ist doch: Will ich mir von einem Versicherer vorschreiben lassen, wie ich zu leben habe?“

 

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