Berlin (dpa)
Sportliches Ziel: FDP-Spitzenkandidat Brüderle will die Grünen noch überholen. Die Liberalen rechnen fest mit einem schwarz-gelben Sieg. Hinter den Kulissen beginnt bereits das Geschacher um Spitzenposten.
In der FDP haben sie sich schon gewundert, wie ruhig es im eigenen Laden ist. Öffentlich keine Querschüsse, keine Attacken auf den Parteichef - stattdessen konzentrierter Wahlkampf im Bund und in den Ländern. "Unser Erfolgsgeheimnis ist, dass wir im Moment niemanden nerven und uns gegenseitig nicht zerlegen", sagte kürzlich ein Spitzenliberaler. Nun aber, gut drei Wochen vor dem Wahltag, steigt die Nervosität unter den FDP-Alphatieren.
Die gehen nämlich davon aus, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Neuauflage von Schwarz-Gelb wegen einer im Vergleich zu 2009 wohl deutlich geschrumpften FDP nur noch drei statt fünf Ministerien an den kleinen Partner herausrückt. In der Partei gibt es dazu eine Setzliste mit drei Namen für die Zeit nach der Wahl - Rösler, Außenminister Guido Westerwelle und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Spitzenkandidat Rainer Brüderle hätte in so einem Fall weiter seinen Platz als Fraktionschef.
Irritationen lösten nun in diesem Zusammenhang Äußerungen von Brüderle aus. Er verkündete in der "Leipziger Volkszeitung", dass es "keine Job-Garantie" für die derzeitigen FDP-Funktionsträger in Regierung und Fraktion gebe. "Vorabvergaben von Positionen gibt es nicht." Das hört sich wie eine Warnung an interne Rivalen an. Sind dem 68 Jahre alten Brüderle jene Gerüchte zu Ohren gekommen, er solle womöglich nach der Wahl mit dem Amt des Bundestags-Vizepräsidenten vorlieb nehmen?
Umgekehrt dürfte Rösler vernommen haben, dass Brüderles Liebe zum Wirtschaftsministerium, aus dem Rösler ihn vor zwei Jahren unsanft verdrängte, keineswegs erkaltet sein soll. Zu Röslers Überraschung gab Brüderle jetzt auch die Parole aus, am 22. September vor den Grünen als drittstärkste Kraft landen zu wollen. Die Öko-Partei schwächelt zwar gerade, bringt aber weiter fast doppelt so viel Gewicht wie die FDP auf die Umfrage-Waage. Zumal Forsa-Chef Manfred Güllner warnt, die Euro-Kritiker von der AfD zu unterschätzen: "Die AfD zieht sehr viel von der FDP ab, die hat ja auch so einen rechten Rand, kaum von der Union, und viel von den rechten Parteien."
In eigener Sache meldete sich mal wieder Rösler-Widerpart Dirk Niebel zu Wort. Der Entwicklungsminister muss wie Gesundheitsminister Daniel Bahr den Karriereknick fürchten, wenn die FDP nur noch mit drei Leuten im Kabinett sitzt. Niebel will jetzt als Landeschef in Baden-Württemberg ein so starkes Ergebnis einfahren, dass Rösler ihn nicht übergehen kann. Mehr noch: Niebel stellt die Autorität des Vorsitzenden bei der Teamaufstellung nach der Wahl offen infrage. Der "Stuttgarter Zeitung" sagte der Ex-Fallschirmjäger: "Über die Ministerriege entscheiden keine Einzelpersonen, sondern die Bundestagsfraktion und der Parteivorstand gemeinsam."