Düsseldorf (dpa)
Jeder dritte Schlaganfall-Patient leidet unter Sprachstörungen. Elektrische Hirnstimulation könnte helfen, die Sprachfähigkeit zu verbessern, hat eine erste kleine Studie ergeben.
Nach einem Schlaganfall verlieren viele Betroffene buchstäblich ihre Sprache und können zum Beispiel Objekte nicht mehr benennen. Jeder dritte Schlaganfall-Patient leidet an einer solchen Sprachstörung, der sogenannten Aphasie. Neurologen ist es in einer kleinen Modellstudie gelungen, mit Hilfe äußerlicher elektrischer Reize am Kopf die Sprachfähigkeit von Schlaganfall-Patienten zu verbessern. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag in Düsseldorf bei der 60. Wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie (DGKN) vorgestellt.
Für die im Februar in der Neurologie-Fachzeitschrift „Brain“ publizierte Studie wurden 26 weibliche und männliche Patienten mit chronischer Aphasie acht Tage zweimal 20 Minuten täglich mit Gleichstrom-Stimulation behandelt. Dabei leiteten die Ärzte mit zwei außen am Kopf angebrachten Elektroden einen schwachen elektrischen Strom durch den Schädelknochen in das Gehirn. Gleichzeitig machten die Patienten für etwa drei Stunden ein Sprachtraining, bei dem sie neu lernen sollten, Objekte wie „Kerze“ oder „Luftballon“ zu benennen. Eine Gruppe bekam während des Trainings die elektrische Stimulation, die zweite Gruppe erhielt eine Scheinstimulation.
Zwar verbesserten sich beide Gruppen zunächst durch das Training. „Aber die Gruppe mit der richtigen Stimulation machte stärkere Fortschritte“, sagte Professorin Agnes Flöel, Neurologin an der Berliner Charité. „In jeder Sitzung hat man einen etwas größeren Lernzuwachs als bei der Gruppe mit Scheinstimulation festgestellt.“ Nach acht Tagen sei der Unterschied schon „recht groß“ gewesen.
Die positiven Effekte der Hirnstimulation dauerten für etwa sechs Monate an, sagte Studienleiterin Flöel. Patienten konnten nach der Therapie besser Gegenstände korrekt benennen, aber auch leichter Einkäufe oder Arztgespräche absolvieren. Eine größere Studie mit 150 bis 200 Patienten auch an anderen Standorten soll nach Angaben von Flöel folgen.
Studien zur Hirnstimulation gebe es bereits bei Patienten mit motorischen Defiziten nach einem Schlaganfall. Messungen bei Aphasie-Patienten seien aber komplizierter. Aphasie ist eine Störung der Sprachverarbeitung, aber keine Gedächtnisstörung. Betroffene können den Zusammenhang zwischen einem Objekt und dem sprachlichen Begriff nicht mehr herstellen. „Das heißt, sie erkennen die Kerze, finden aber das Wort dazu nicht“, sagte Flöel.
DGKN-Kongresspräsident Alfons Schnitzler, Neurowissenschaftler an der Uni-Klinik Düsseldorf, äußerte sich sehr positiv über die Studie. Sie sei ein „Meilenstein“ in Richtung eines therapeutischen Einsatzes der nichtinvasiven Hirnstimulation bei Schlaganfallpatienten.
Nichtinvasive Behandlungen kommen ohne Schnitte aus.