London (dpa)
Für eine Schwangerschaft braucht es einen Mann und eine Frau. Doch, wenn im Frühjahr über ein Gesetz in Großbritannien abgestimmt wird, könnte das bedeuten, dass ein Kind nicht nur die leibliche, sondern eine weitere genetische Mutter hat.
Sharon Saarinen versuchte zehn Jahre lang vergeblich, schwanger zu werden. Auch die künstliche Befruchtung funktionierte nicht. "Ich fühlte mich wertlos und schuldig, dass ich meinem Mann kein Kind gebären konnte", erzählt die Amerikanerin, die einen Gen-Defekt in sich trägt. Dass sie doch noch Mutter wurde, verdankt sie einer künstlichen Befruchtung, die über das heute geltende Recht hinausgeht: Tochter Alana trägt nicht nur Erbmaterial ihrer beiden Eltern in sich, sondern auch Gene von einer zweiten Frau.
Die Technik, die bei Saarinen angewandt wurde, ist nach Sicherheits- und Ethikbedenken 2002 in den USA verboten worden, in Deutschland war sie nie erlaubt. Aktuell wird in Großbritannien heiß darüber diskutiert, ob das Verfahren in abgewandelter Form wieder eingeführt wird. "Drei-Eltern-Kind" heißt die Überschrift über den zahlreichen Debatten. Bei der Technik nutzen Mediziner unter anderem das Erbmaterial im Kern einer künstlich befruchteten Eizelle, das von dem Paar mit Kinderwunsch stammt. Hinzu kommen die Kraftwerke der Zelle (Mitochondrien), die eigene Gene besitzen, von einer Spenderin.
Das Parlament in Westminster diskutiert die Legalisierung des Verfahrens. Damit wäre Großbritannien das weltweit einzige Land, dass so etwas zulässt. Noch vor den Parlamentswahlen im Mai 2015 wird eine Entscheidung fallen, wie das britische Gesundheitsministerium bestätigt. Erlaubt werden sollen "Drei-Eltern-Kinder" jedoch nur für einen eng umrissenen Kreis von Menschen, deren Zellen einen bestimmten Defekt aufweisen.
Das menschliche Erbgut besteht aus zwei Teilen: Zellkern-DNA, die etwa bestimmt, welche Augenfarbe ein Mensch hat, Einfluss auf seine Größe und sein Aussehen, aber auch auf Intelligenz und Charakter haben kann. Der zweite Teil ist die mitochondriale DNA. Diese ist bei den betroffenen Frauen defekt.
Bei dem Befruchtungsverfahren wird dieser Teil der DNA gegen das Zellgut einer gesunden Frau ausgetauscht. Mitochondrien werden als Kraftwerke der Zelle bezeichnet, weil sie unter anderem für die Zellatmung und damit für die Energie zuständig sind. Sie werden nur mütterlicherseits weitergegeben und enthalten 37 Gene.
Wenn einige davon mutieren, können Schädigungen in vielen Bereichen auftreten: im Gehirn, Nervensystem, in den Muskeln sowie in Leber und Nieren. Es wird angenommen, dass eines von 6500 Kindern in Großbritannien eine mehr oder weniger starke darauf zurückzuführende Störung entwickelt. Befruchtete Eizellen mit diesen Mutationen, können aber auch zur Schwangerschaftsunterbrechung führen.
Die nordenglische Universität Newcastle gilt im Bereich der Mitochondrien-Spende als führend. Doug Turnbull ist der leitende Wissenschaftler: "Das Konzept besteht darin, dass Frauen mit entsprechenden Genmutationen Kinder haben können, die frei von mitochondrialen Erkrankungen sind."
Er arbeitet am sogenannten "pronuklearen Transfer", einer besonderen Form der künstlichen Befruchtung: "Bei dem wird die Zellkern-DNA der Eltern aus einer befruchteten Eizelle, die die schädliche Mutation in sich trägt, entnommen und in eine befruchtete Eizelle einer gesunden Spenderin eingepflanzt. Die Zellkern-DNA der Spenderin wird dazu vorher entfernt", beschreibt er die Methode. Jede befruchtete Eizelle enthält im Zellplasma nur Mitochondrien einer Frau und nicht eines Mannes. Der Embryo trägt somit die Zellkern-DNA der Eltern und die mitochondriale DNA der Spenderin in sich.
Kritiker der Technik, wie das Gen-ethische Netzwerk, bemängeln eine unzureichende Studienlage: "Mithin fehlen nicht nur Daten, um Aussagen über die Sicherheit der Methode machen zu können, es ist auch nicht klar, ob das Verfahren überhaupt funktioniert", heißt es in einer Mitteilung des Netzwerkes.
Dem widerspricht die britische Regulierungsbehörde für menschliche Befruchtung und Embryologie (HFEA). "Die wissenschaftlichen Experten sind zu dem Schluss gekommen, dass die Technik nicht unsicher ist", sagt Yuba Bessaoud von der HFEA.
Die Briten wollen aber genau darauf aufpassen, dass die aus Mitochondrien-Spenden entstandenen Kinder keinen Kontakt zu den Spenderinnen bekommen. Ein Verwandtschaftsverhältnis entstehe nicht, da der gespendete Teil der DNA keine charakterprägenden Merkmale enthalte, heißt es im Gesetzentwurf. Die Kinder sollen außerdem nur medizinische und biologische Informationen über die Spenderin erhalten, nicht aber solche, die zu ihrer Identifizierung führen können.