Berlin (dpa)
Müssen Arbeitnehmer künftig immer länger arbeiten? Die strittige Frage wird mit Blick auf den Bundestagswahlkampf diskutiert. Vorher will die Regierung noch mit einem anderen konkreten Rentengesetz kommen.
Bei der Rente steht den Menschen in Deutschland ein Jahr mit Entscheidungen und hitzigen Debatten bevor. Zum Bundestagswahlkampf bahnt sich Streit darüber an, ob Arbeitnehmer länger bis zur Rente im Job bleiben sollen. Zuvor will die Regierung noch mit einem Gesetz konkret werden, mit dem Selbstständige zur Rentenabsicherung verpflichtet werden sollen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte bereits im Dezember der Deutschen Presse-Agentur, sein Ministerium arbeite mit Hochdruck an der Einbeziehung der Selbstständigen in die Alterssicherung. Wie geht es bei diesen großen Rententhemen weiter?
Auf dem Weg zur Rente mit 67 steigt die reguläre Altersgrenze 2021 leicht auf 65 Jahre und 10 Monate. Doch was passiert bei im Schnitt weiter steigender Lebenserwartung? Noch vor Weihnachten sorgte ein Vorstoß aus der CDU für Aufregung, den die Urheber als Basis für eine große Rentenreform in der kommenden Wahlperiode verstanden wissen wollen. Der CDU-Ausschuss Soziale Sicherung und Arbeitswelt fordert unter anderem, die Menschen sollten gewonnene Lebenszeit künftig teils in Erwerbstätigkeit verbringen.
LÄNGERES ARBEITEN:
„Wir sollten uns alle bei diesem Thema auch einmal ehrlich machen“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nun der dpa. „Wenn unsere Lebenserwartung immer weiter steigt, muss unsere Lebensarbeitszeit zwangsläufig auch steigen“, so Dulger. „In den kommenden Jahren wird die „Babyboomer“-Generation in Rente gehen und der Druck auf unsere sozialen Sicherungssysteme wird aufgrund dieses demografischen Wandels immer stärker werden.“ Ähnlich argumentiert das Mitglied des Rats der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, im „Handelsblatt“ (Montag). Die Gewerkschaften stemmen sich aber gegen eine Koppelung von Renteneintrittsalter und Lebenserwartung. „Das wäre der völlig falsche Weg“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke der dpa. Die Rentendebatte würde entpolitisiert. „Das Renteneintrittsalter würde nicht mehr politisch durch das Parlament festgelegt, sondern die Entscheidung würde sozusagen an das Statistische Bundesamt abgegeben.“
ALTERNATIVEN ZU LÄNGEREM ARBEITEN:
Mit Spannung wird erwartet, für welchen Kurs sich die Union im Wahlkampf entscheidet. Vor der vergangenen Bundestagswahl verzichteten CDU/CSU noch auf klare Ansagen etwa zum Rentenalter.
Macht sich die Union nun die Positionen des CDU-Sozialausschusses etwa zur steigenden Lebenserwartung zu eigen? Eine von der Regierung eingesetzte Rentenkommission war sich vergangenes Jahr uneins, ob die Altersgrenze zur Rente weiter angehoben werden soll. Die Kommission empfahl nur, dass Experten hierzu 2026 etwas empfehlen sollen. Die Menschen sollten aber auf jeden Fall zusätzliche Alterssicherung mit privater sowie betrieblicher Altersvorsorge betreiben. Werneke sieht für die Zukunft mehr Steuergeld fürs Rentensystem als unerlässlich
an: „Der Bundestag hat mitten in der Pandemie den Kauf von 23 Eurofightern für 5,5 Milliarden Euro beschlossen. Dieses Geld wäre in der Stabilisierung des Rentensystems deutlich besser angelegt.“ So könne das Rentenniveau auch über die bisher festgesetzte Marke von 48 Prozent bis 2025 hinaus gehalten und gesteigert werden. Dulger hält „nichts“ davon, Renten-Herausforderungen mit Schulden zu finanzieren.
RENTE ALS WAHLKAMPFTHEMA:
„Abhängig vom Wahlergebnis im September 2021 wird es zu Richtungsentscheidungen kommen, von der eine ganze Generation betroffen sein wird“, sagt Werneke. „Ich erwarte daher von den Parteien, dass sie ihre erkennbar unterschiedlichen Vorstellungen zur Rente deutlich und zum Gegenstand des Wahlkampfes machen.“ Auch die Deutschen Rentenversicherung ist darauf eingestellt. „Das Thema Rente wird wohl ein Wahlkampfthema werden, denn es bewegt die Menschen sehr“, sagte Präsidentin Gundula Roßbach der dpa. „Das Thema sollte in der Sache und auch lebensnah diskutiert werden.“ Roßbach kündigte an, die Rentenversicherung werde ihren Sachverstand in die Diskussion einbringen. „Wir müssen immer schauen: Wie können wir die Belastung zwischen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie dann auch den Rentnerinnen und Rentnern, die ja über die Rentenanpassung immer an der wirtschaftlichen Entwicklung mitbeteiligt sind, in einem guten Lot behalten?“
EINBEZIEHUNG SELBSTSTÄNDIGER IN DIE RENTE:
Rentenpräsidentin Roßbach bestärkt die Regierung in dem Plan, hier noch etwas vorzulegen: „Wir würden uns freuen, wenn es da einen ersten Aufschlag geben würde.“ Auch in der Pandemie zeige sich, dass es bei den Selbstständigen einige Gruppen gebe, deren Absicherung man stärker in den Blick nehmen sollte. Dienstleistungsgewerkschafts-Chef Werneke sagt, in der Corona-Krise sei überdeutlich geworden, dass Soloselbstständigen sozialer Schutz fehle. „Das betrifft die Arbeitslosenversicherung, aber auch die Rentenversicherung.“
VERSICHERUNGSPFLICHT FÜR JÜNGERE:
Bereits im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD angekündigt, dass Selbstständige zwischen gesetzlicher Rente und anderen Vorsorgearten wählen können sollen. Durchgesickert ist auch schon: Zunächst sollen wohl Jüngere zur Absicherung verpflichtet werden. Zuerst war einmal davon die Rede, dass die Pflicht gelten solle, wenn man unter 45 Jahre selbstständig wird. Zuletzt kursierte, Unter-35-Jährige könnten betroffen sein. Roßbach sagt: „Wenn der Gesetzgeber nun mit einer Einbeziehung der Jüngeren beginnt, wie es zurzeit diskutiert wird, hätten diese die Perspektive, im Lauf ihres Arbeitslebens entsprechende Anwartschaften erwerben zu können.“ Der Zugang solle dabei digital und einfach sein.