Brüssel (dpa)
Nach langem Hin und Her gibt es eine Entscheidung: Der Unkrautkiller Glyphosat bleibt in Europa erlaubt. Erst einmal jedenfalls. Das enttäuscht Umweltschützer und Industrie gleichermaßen.
Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat bleibt in Europa für die nächsten 18 Monate zugelassen. Einen Tag vor Ablauf der geltenden Zulassung am Monatsende hat die EU-Kommission die weitere Verwendung am Mittwoch im Alleingang genehmigt. Bis spätestens Ende 2017 soll die europäische Chemikalienagentur Echa ihre Bewertung vorlegen. Auf dieser Grundlage soll dann erneut entschieden werden. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen.
Die EU-Kommission hatte eigentlich darauf gedrungen, dass die EU-Staaten über die Zukunft des weit verbreiteten Unkrautvernichters entscheiden. Doch unter nationalen Vertretern war über Monate hinweg nicht die nötige Mehrheit für eine Verlängerung der aktuellen Genehmigung oder eine Neuzulassung zustande gekommen. „Die Mitgliedsstaaten waren nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen“, sagte ein Sprecher der Kommission.
Am Freitag scheiterte eine letzte Abstimmung, bei der Deutschland sich enthalten hatte. Die große Koalition liegt in der Frage über Kreuz. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Unionsparteien für die weitere Zulassung plädierten, lehnten die SPD-Minister dies unter Verweis auf mögliche Gesundheitsgefahren ab.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kritisierte die Verlängerung der Genehmigung. Die EU-Kommission habe das Vorsorgeprinzip missachtet, erklärte die Ministerin. „Immerhin geht es bei Glyphosat um die Frage, ob dieser Wirkstoff krebserzeugend ist“, betonte Hendricks. Ihr Ministerium und andere SPD-geführte Ressorts hätten dazu beigetragen, „dass die Verlängerung für Glyphosat für höchstens 18 Monate statt 15 Jahre erteilt wird“.
Der Industrieverband Agrar (IVA), der Pestizid- und Düngemittelhersteller vertritt, nannte die Verlängerung der aktuellen Zulassung bis längstens Ende 2017 eine unbefriedigende Zwischenlösung. Stattdessen sei eine Genehmigung für 15 Jahre erforderlich. Die Branchenvereinigung Zentralverband Gartenbau (ZVG) klagte über „politischen Druck von Interessenvertretern und Nichtregierungsorganisationen“.
Unzufrieden äußerte sich auch Graeme Taylor vom europäischen Branchenverband ECPA, der große agrochemische Unternehmen vertritt:
„Wir sind offen gesagt enttäuscht: Nachdem die EU-Kommission ursprünglich eine Neuzulassung für 15 Jahre vorgeschlagen hatte, bleibt uns jetzt nur eine 18-monatige Verlängerung.“ Dabei lägen bereits 3500 Studien und 90 000 Seiten an Beweisen zu Glyphosat vor.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) beklagte seinerseits, die EU-Kommission und die Vertreter der meisten EU-Staaten hätten sich „offenkundig von den Interessen der Agrarindustrie leiten lassen“.
Bis zum Beweis der Unbedenklichkeit für Gesundheit und Umwelt habe Glyphosat verboten werden sollen, forderte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Von einer „allerletzten Galgenfrist“ für Glyphosat sprach der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. Allerdings werde sich während dieser Zeit nichts an der Nutzung des Stoffes ändern, beklagte er. „Immer deutlicher wird, dass das Ackergift angezählt ist und dass wir eine Agrarwende weg von der chemiebasierten industriellen Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung brauchen“, so Ebner.
Bei Glyphosat handelt es sich genau genommen um eine Substanz, die in Unkrautvernichtungsmitteln zum Einsatz kommt. Für die Genehmigung konkreter Produkte, in denen Glyphosat enthalten ist, sind die EU-Staaten zuständig. Die Brüsseler Behörde legt den Staaten auch nahe, bestimmte Beistoffe (POE-Tallowamine) für Glyphosat-Produkte zu verbieten, die Menschen schaden könnten. Diese Stoffe verbessern die Aufnahme von Glyphosat durch die Pflanzen. Zudem soll Glyphosat in öffentlichen Parks, Spielplätzen und Gärten möglichst wenig zum Einsatz kommen. Solche Ratschläge sind für die Staaten allerdings nicht bindend.