Karlsruhe (dpa)
Die zwangsweise Behandlung eines Patienten mit einem Medikament, das über seine Zulassung hinaus angewendet wird, ist nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem Beschluss klargestellt. Der sogenannte Off-Label-Use setzt demnach eine medizinisch-wissenschaftlich anerkannte Grundlage voraus. Das können zum Beispiel Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften sein.
Beim Off-Label-Use wird ein Medikament außerhalb der von den zuständigen Zulassungsbehörden genehmigten Anwendungsgebiete eingesetzt. In dem Fall am BGH ging es um eine Frau mit einer wahnhaften Störung, deren Betreuerin beantragt hatte, ihr ein Antipsychotikum intramuskulär - also per Spritze - zu geben, wenn sie die orale Einnahme verweigert. Diese Form der Verabreichung war in dem Fall aber nicht zugelassen. Das Landgericht Berlin II wies den Antrag der Betreuerin zurück, der BGH bestätigte nun diese Entscheidung.
Empfehlung von Fachgesellschaft kann Grundlage sein
Dem obersten deutschen Zivilgericht zufolge darf eine Off-Label-Anwendung im Fall einer ärztlichen Zwangsmaßnahme nur durch eine gemeinsame Entscheidung von Arzt und Betreuer erfolgen, der eine „medizinisch-wissenschaftlich konsentierte Grundlage“ zugrunde liegt. Diese Grundlage könne sich „unter Beachtung der von den führenden medizinischen Gesellschaften erstellten Leitlinien etwa aus Empfehlungen nationaler und internationaler medizinischer Fachgesellschaften ergeben“, so das Gericht.
Unter bestimmten Bedingungen dürfen Menschen auch gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden. Dabei geht es um Menschen, die etwa wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkennen und danach handeln können. Die Zwangsmaßnahmen sind nur als Ultima Ratio - als letztes Mittel - erlaubt.