Berlin (dpa)
Mehr Pflege für Intensivpatienten, Herzkranke und Unfallopfer - das will die Regierung. Doch die Kliniken und die Krankenkassen können sich nicht einigen. Jetzt kommt es auf den Gesundheitsminister an.
Bessere Pflege für schwerkranke Krankenhaus-Patienten ist in Deutschland vorerst nicht in Sicht. Verhandlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung über neue Untergrenzen für das Pflegepersonal scheiterten, wie beide Seiten am Dienstag in Berlin mitteilten. Die ehemalige Bundesregierung hatte noch vor der Bundestagswahl 2017 DKG und Kassenverband beauftragt, so eine Mindestausstattung an Pflegepersonal zu vereinbaren. Gelten sollen die Untergrenzen für Bereiche, in denen Patienten besonders viel Pflege brauchen. Das sind Intensivstationen, Geriatrie, Neurologie, Herz- und Unfallchirurgie und Kardiologie. Es gibt allein rund 1000 Intensivstationen in Deutschlands Krankenhäusern.
Die Krankenhausgesellschaft lehnte einen Vorschlag ab, nach dem die Personalausstattung des schlechtesten Viertels der Krankenhäuser als nicht ausreichend gegolten hätte. Das heißt, jede vierte Klinik müsste mehr Schwestern und Pfleger einstellen oder müsste andernfalls mit finanziellen Strafen rechnen. Der Kassenverband wies die Position der Kliniken zurück, nach der lediglich die schlechtesten zehn Prozent der Kliniken beim Pflegepersonal aufstocken müssten.
Die Krankenhäuser warnten davor, dass Intensivstationen Patienten abweisen müssten, wenn sie zuviel Personal pro Patient vorhalten müssten. Nach dem nun diskutierten Modell - so die DKG - dürfte eine Pflegekraft auf einer Intensivstation künftig nur im Schnitt 1,7 Patienten oder weniger betreuen. Medizinische Fachgesellschaften sähen dagegen eine weit weniger „restriktive Personalbesetzung“ als Normalbesetzung vor, nämlich ein Verhältnis von zwei Patienten auf eine Pflegekraft.
„Wenn wir aus der bloßen Statistik heraus Personaluntergrenzen festlegen, die schärfer formuliert sind, als die Leitlinien von medizinischen Fachgesellschaften, dann kann mit diesem Modell etwas nicht stimmen“, sagte DKG-Präsident Gerald Gaß.
Der Vize-Chef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, warf der DKG hingegen vor, dass sie nur jeder zehnten Klinik mehr Personal geben wolle: „Angesichts der qualitätskritischen Situation in der Pflege ist der Bevölkerung nicht zu vermitteln, dass Pflegepersonaluntergrenzen festgelegt werden, die in 90 Prozent der betroffenen Häuser keinerlei Wirkung entfalten.“
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte das Scheitern und wies darauf hin, dass das Gesundheitsministerium an den Gesprächen als Moderator sogar beteiligt war. „Weit weg sind die Verhandlungspartner von einer einheitlichen Personalbemessung auf allen Stationen.“ Damit am 1. Januar 2019 überhaupt etwas passiere, müsse Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt eine Regelung für Personaluntergrenzen anweisen.
Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sagte: „Wir prüfen das weitere Vorgehen.“ Eigentlich hätten sich Kliniken und Kassen laut Gesetz bereits bis Ende Juni einigen sollen.
Unabhängig davon hatte Spahn im Juni ein Sofortprogramm Kranken- und Altenpflege angekündigt. Unter anderem sollen in Zukunft im Krankenhaus jede zusätzliche Pflegekraft finanziert und Tarifsteigerungen den Kliniken anders als heute voll refinanziert werden.