Düsseldorf (dpa)
Wer ein Medikament haben will, der steuert zielsicher ein rotes „A“ auf weißem Grund an. Die Apotheken sind im Umbruch - die Einführung des elektronischen Rezepts macht Sorgen, die Aussicht auf die Bezahlung neuer Dienstleistungen macht der Branche hingegen Mut.
Deutschlands Apotheker blicken mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Einerseits suchen sie händeringend Personal oder Nachfolger für ihre Betriebsstätten, andererseits sorgt ein neues Gesetz für zaghaften Optimismus in der Branche. Die Negativstimmung sei zurückgegangen und es herrsche „eine positivere Grundhaltung“, sagte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda), Gabriele Regina Overwiening, am Mittwoch in Düsseldorf zum Auftakt des Deutschen Apothekertags, einem Branchentreff mit rund 300 Delegierten aus den verschiedenen Landesteilen.
Es geht um das sogenannte Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz, das Ende 2020 in Kraft trat und der Branche einen klaren Rahmen für die zukünftigen Geschäfte geben soll. Ein wichtiger Teil des Gesetzes ist die Bezahlung von pharmazeutischen Dienstleistungen. Gemeint ist damit zum Beispiel, dass ein Apotheker sich mit einem Patienten hinsetzt und sich einen Überblick verschafft über die Vielzahl an Medikamenten, die dieser regelmäßig einnimmt - dann können zum Beispiel Wechselwirkungen ausgeschlossen werden. Da Patienten Medikamente von verschiedenen Ärzten verschrieben bekommen, böte sich der Apotheker als zentrale Schnittstelle an, argumentiert die Abda.
Verhandlungen mit der Krankenkassenseite über die Frage, welche Dienstleistungen wie bezahlt werden, brachten bisher zwar kein Ergebnis. Eine Schiedsstelle soll nun aber Klarheit bringen. Der Start dieser pharmazeutischen Dienstleistungen ist für Januar 2022 geplant.
Ein zweites Thema, was die Branche bewegt, ist das E-Rezept. Ebenfalls Anfang 2022 sollen die üblichen Zettelchen vom Arzt Geschichte sein, zumindest im Regelfall - stattdessen sollen die Patienten QR-Codes bekommen. Das Rezepteinlösen soll also in das Digitalzeitalter gehievt werden. Für die Apotheken und Arztpraxen steht nicht nur ein technischer Kraftakt bevor, sondern das Werben um die Kundengunst wird härter - schließlich könnte das E-Rezept Aufwind sein für die reine Online-Konkurrenz, also für Versandhändler wie Docmorris und Shop Apotheke.
Doch die Menschen bekommen nach dem Arztbesuch ihre Arzneimittel weiterhin am schnellsten in stationären Apotheken, schließlich müssen sie bei Online-Bestellungen auf die Zusendung warten. Hinzu kommt, dass auch viele Vor-Ort-Apotheken längst im Online-Handel mitmischen. „Wir sind bereit für das E-Rezept“, sagte Abda-Chefin Overwiening und betonte, dass bei Medikamenten Beratung und Aufklärung enorm wichtig seien - und das ist nach ihrer Darstellung auch in Zeiten des E-Rezepts eine Trumpfkarte der stationären Apotheken. „Arzneimittel dürfen nicht bagatellisiert werden und wie Smarties im Internet bestellt werden.“
Mit Blick auf das E-Rezept gibt es unter den Apothekern aber auch Befürchtungen über schwierigere Geschäfte. Wie eine Abda-Umfrage ergab, gehen 41 Prozent der deutschen Apotheker von einer geringeren Bindung der Stammkundschaft als Folge des elektronischen Rezepts aus. Das ist ein großer Anteil der befragten 500 Apothekern, im Vergleich zur vorigen Umfrage aus dem Jahr 2020 ist das aber ein besserer Wert - damals rechneten sogar 55 Prozent mit einer schwächeren Bindung zum Stammkunden, wenn das digitale Rezept kommt. So gesehen haben sich Sorgen der Vor-Ort-Apotheken zumindest teilweise geglättet.
Unterdessen setzte sich ein Trend fort: Die Zahl der Apotheken in Deutschland sank laut Abda im ersten Halbjahr um 162 auf 18 591. Das entspricht einem Minus von knapp einem Prozent. Im Jahr 2008 waren es noch etwa 21 600 Apotheken - danach ging es bergab.
Derzeit ist die Zahl so niedrig wie seit fast vier Jahrzehnten nicht mehr. Im Jahr 1982 gab es den Angaben zufolge insgesamt 18 377 Apotheken in der Bundesrepublik und DDR und damit weniger als heute in Deutschland. Es geht um Betriebsstätten - also Hauptapotheken plus Filialen. Der Rückgang betraf fast alle Bundesländer, einzig in Bremen und im Saarland hielt sich die Zahl der Apotheken im ersten Halbjahr konstant.
Branchenvertreterin Overwiening wies auf Fachkräftemangel und auf die vielerorts schwierige Nachfolgersuche hin, wenn eine Apothekerin oder ein Apotheker in Ruhestand gehen will. In Richtung Bundespolitik sagte sie, sie erwarte für die kommende Legislaturperiode „ein deutliches Bekenntnis zur Apotheke vor Ort“. „Dann lassen sich auch junge Apothekerinnen und Apotheker begeistern, eine Apotheke auf dem Land zu übernehmen und die Versorgung dort mit pharmazeutischen Dienstleistungen zu verbessern.“ Sie berichtete von ihrer eigenen Apotheke, die im ländlichen Bereich liegt. Auch dort sei die Suche nach Personal schwierig. Wenn sich dort mal jemand bewerbe, sei sie „sehr glücklich“.