Leipzig (dpa)
Rund drei Millionen Menschen in Deutschland haben im Schlaf Atemaussetzer. Nachts merken sie davon nichts, aber die Folgen des schlechten Schlafs sind gravierend. Im Schlaflabor soll ihnen geholfen werden.
Um 22.00 Uhr herrscht im Schlaflabor Hochbetrieb. Schwester Sabine und Schwester Christine laufen von Zimmer zu Zimmer in der Robert-Koch-Klinik des Klinikums St. Georg in Leipzig, um die Patienten fertig für die Nacht zu machen. Im Jargon des medizinischen Personals heißt das "verkabeln". Die Patienten in den acht Zimmern müssen eine Nacht unter Totalüberwachung schlafen. Sie werden vermessen, gefilmt und abgehört, weil sie wie Millionen andere in Deutschland ein Problem haben: Sie schlafen schlecht.
Olaf Schweren hat es sich in seinem Einzelzimmer im Schlaflabor so bequem wie möglich gemacht. "Ich hatte eigentlich kein Problem", sagt der 56 Jahre alte gelernte Berufskraftfahrer. "Aber alle, die um mich herum waren, die hatten ein Problem!" Schweren schnarcht, schläft schlecht, ist tagsüber müde, hatte bis zu einer Magen-OP 116 Kilogramm auf den Rippen. "Meine Frau hat mich immer gedrängt: "Geh doch mal zum Arzt!""
Für Thomas Köhnlein, Chefarzt der Robert-Koch-Klinik, ist Schweren der klassische Kandidat für ein sogenanntes Schlafapnoe-Syndrom.
Diesen schädlichen Atemaussetzern sind die Schlafmediziner in Leipzig auf der Spur. "Atemaussetzer im Schlaf werden von den Ehepartnern oft sehr zuverlässig beobachtet", sagt Köhnlein. Und dass Schweren recht beschwingt über seine Beschwerden spricht, sei auch typisch. "Die Patienten unterschätzen das in der Regel gewaltig." Bevor sie ins Schlaflabor kommen, sind sie schon von Lungen- oder HNO-Ärzten gecheckt worden. Besteht ein Verdacht, werden sie zum überwachten Schlafen ins Labor geschickt.
Zwei bis vier Prozent der Deutschen leiden nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin unter den Atemaussetzern im Schlaf.
Das Schlafapnoe-Syndrom sei die zweihäufigste der mehr als 50 bekannten Schlafstörungen, sagt Hans-Günter Weeß aus dem Vorstand der Fachgesellschaft. Die Folgen des schlechten Schlafs seien gravierend: Tagesschläfrigkeit mit Einschlafneigung, Konzentrationsstörungen und Leistungsschwäche sowie ein auf lange Sicht erhöhtes Schlaganfall- und Herzinfarkt-Risiko.
Die Ursache für die Atemaussetzer sei eine ermüdete Muskulatur im Rachenraum, erläutert Schlafmediziner Köhnlein. Besonders häufig komme das bei übergewichtigen Menschen vor, weil das Fett auf die Muskeln im Rachen drücke. Atemaussetzer könnten bis zu 30 Sekunden dauern. 30 Sekunden, in denen zu wenig Sauerstoff im Gehirn ankommt.
Das reagiert mit einer Alarm- und Weckreaktion. Weil das viele Male in der Nacht passiert, finden die Schlafapnoeiker nicht in den gesunden Traum- und Tiefschlaf.
Im Schlaflabor werden die Patienten gefilmt, ein Mikrofon nimmt eventuelle Schnarchgeräusche auf. Dazu kommt die "Verkabelung": Je zwei Elektroden werden Olaf Schweren auf die Beine geklebt, neun am Kopf platziert. Dazu bekommt der 56-Jährige einen Brust- und einen Bauchgurt umgeschnallt. Ein Clip am Zeigefinger, ein sogenanntes Pulsoximeter, misst außerdem die Sauerstoffsättigung im Blut. Sechs Stunden lang soll Schweren nun so schlafen.
In der Technikzentrale des Schlaflabors sitzen derweil Schwester Sabine und Schwester Christine vor acht Monitoren, für jedes Zimmer einer. Dort laufen die gesammelten Daten ein, ein Videobild zeigt den - vermutlich schlecht - schlafenden Patienten. Am Morgen werden die Computerprotokolle von den Ärzten ausgewertet.
Die gängigste Behandlungsmethode bei Atemaussetzern ist eine sogenannte CPAP-Maske. Sie sieht aus wie eine kleine Beatmungsmaske und ist mit einem Schlauch an einen Kompressor angeschlossen. Trotz neuer Behandlungsansätze wie einem Zungenschrittmacher sei die in den 1960er Jahren entwickelte Maske immer noch der "Goldstandard", sagt Weeß. Das Gerät erzeugt einen Überdruck. So wird das Verschließen der Atemwege verhindert, die Atemaussetzer verschwinden - und die Patienten haben wieder einen erholsamen Schlaf.
Die Maske muss Nacht für Nacht getragen werden. Was ein bisschen nach Tortur klingt, werde von den Patienten aber gut akzeptiert, sagt Köhnlein. "75 Prozent sind nach einem Jahr noch therapietreu. Das ist kein schlechtes Ergebnis." Die Patienten spürten offensichtlich eine deutliche Verbesserung. "Es ist mit diesen Masken ein bisschen wie mit einer Brille. Erst fremdelt man damit, aber nach einem Monat hat man sich daran gewöhnt."
Eine Patientin, die im Schlaflabor mit einer CPAP-Maske versorgt wurde, ist Monika Schmidt aus Zeitz. "Ich habe seit zehn Jahren ein Problem mit dem Schnarchen und Atemaussetzern. Ich bin früh wie erschlagen, muss mich vom Schlafen erholen", sagt die 71 Jahre alte Rentnerin. Zudem habe sie Konzentrationsstörungen und Schwindelanfälle. Im Schlaflabor wurden bei ihr 22 Atemaussetzer pro Stunde gemessen. Schmidt ist entschlossen, künftig nur noch mit Maske zu schlafen.