Mannheim (dpa)
Der Straßenstrich in Mannheim ist für Antonetta "Teufelsarbeit". Die Prostituierte aus Bulgarien will aussteigen, findet aber bisher keinen Ausweg. Hilfe auf dem Leidensweg bietet eine Beratungsstelle der Diakonie.
Seit vier Jahren sucht Antonetta in Mannheim vergeblich nach einer Arbeit als Küchenhilfe oder Putzfrau. Um zu überleben, arbeitet sie als Prostituierte, verkauft Sex für 30 Euro.
2Für mich ist das Horror, das ist nicht normal", sagt die 47-jährige Bulgarin in der Beratungsstelle Amalie des Diakonischen Werks. Deren Leiterin Julia Wege hat jetzt über das Medinetz, das Migranten ohne Krankenversicherung beisteht, einen Zahnarzt für Antonetta gefunden.
"Es ist schön, dass es uns gibt", sagt die Sozialarbeiterin. "Aber schöner wäre es, wenn es uns nicht geben würde."
Die erst vor einem Jahr vom Diakonischen Werk der evangelischen Kirche eingerichtete Beratungsstelle liegt wenige Schritte vom Rotlichtviertel in Mannheim entfernt. Dort ballen sich exemplarisch die Probleme, die mit den unterschiedlichen Facetten der Prostitution verbunden sind. In einer Bordellstraße sitzen Prostituierte in den Fenstern, zwei Straßen weiter beginnt der Straßenstrich, und in den Kneipen des Viertels sprechen Frauen mögliche Kunden an.
Antonetta entschied sich, nach Deutschland auszuwandern, weil sie in der bulgarischen Hauptstadt Sofia sieben Monate lang keine Arbeit fand und es in ihrer Wohnung ohne Heizung im Winter nicht mehr aushielt. In Mannheim kannte sie einen Freund. Aber der Traum vom besseren Leben wurde zum Alptraum Straßenprostitution.
"Das Arbeiten auf der Straße macht die Psyche kaputt", sagt Antonetta. "Ich gucke jeden Tag, ob ich etwas anderes bekomme." Die Sozialarbeiterin Wege bemüht sich mit Hilfe eines Rechtsanwalts, ihr den Bezug von Sozialleistungen zu ermöglichen. "Aber das hängt seit einem Dreivierteljahr in der Warteschleife."
Auch ihren Wunsch nach einer kleinen Einzimmerwohnung konnte sich Antonetta bisher nicht erfüllen: "Jede Nacht bin ich auf der Straße." Zum Schlafen kommt sie bei Bekannten unter.
Ein Ausstieg aus dem Kreislauf des Elends ist langwierig. Julia Wege und ihre Kollegin haben bisher zehn Frauen dabei helfen können. Zu den größten Problemen gehört die Suche nach einer festen Unterkunft.
"Die Wohnungen sind nicht bezahlbar", kritisiert Wege. Die meisten Vermieter seien wenig begeistert, wenn sie hörten, dass für eine Bulgarin oder Rumänin eine Wohnung gesucht werde. "Wenn ich dann sage, dass die Wohnung für eine bisherige Prostituierte sein soll, habe ich gar keine Chance mehr." Nun überlegt die Sozialarbeiterin, ein Wohnprojekt zu starten, um die Chancen für einen Ausstieg zu verbessern.
Eine solche Wohnung mit Platz für vier Frauen gibt es seit kurzem in Stuttgart. Damit könnten Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution endlich eine Adresse angeben und dann auch einen Arbeitsplatz bekommen, erklärt Sabine Constabel vom Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart, die gemeinsam mit einer Kollegin der katholischen Caritas das Café-Projekt La Strada für Prostituierte betreut. Dorthin kommen abends 40 bis 70 Frauen. Sie können sich wie bei Amalie zu bestimmten Zeiten ärztlich untersuchen lassen. "La Strada ist ein geschützter Raum, da schöpfen die Frauen mal Atem", erklärt Constabel.
Ohne die Nachfrage von Männern würde es auch keine Elendsprostitution geben. Manchmal melden sich Freier bei den Beratungsstellen und machen auf besonders eklatante Probleme aufmerksam. Aber Sabine Constabel erwartet nicht, "dass Freier es von sich aus unterlassen, die Notlage der Frauen auszunutzen". Es sei eher zu beobachten, dass Männer gezielt ohnmächtige und ausgebeutete Frauen suchten, die sich nicht wehren könnten. "Die Nachfrage ist dreister geworden", sagt Constabel. "Früher hatten die Freier mehr Respekt. Jetzt wollen sie ein Maximum an Leistung für den günstigsten Preis."
Inzwischen gingen auch zunehmend jüngere Männer ins Bordell, beobachtet Julia Wege. "Sie stellen sich die Frage: Gehe ich heute ins Kino oder zu einer Prostituierten?"
Antonetta hat sich damit abgefunden, dass ihr Leben mit der "Teufelsarbeit", wie sie es nennt, ein Leidensweg ist. Sie hat Angst auf der Straße, wurde zweimal überfallen. "Gott gibt mit der einen Hand und mit der anderen nimmt er", sagt die Prostituierte lakonisch.
"Ich hoffe nur, dass es den anderen Frauen einmal besser geht. So viele junge Frauen sind ohne Zukunft."
Manchmal schreibt sie Gedichte in ihrer Muttersprache. "Aber für die Poesie muss ich gute Laune haben. Dann suche ich das Schöne in der Fantasie."