Berlin (dpa)
Vieles habe sie damals „kalt überrascht“, sagt Sara Buschmann. Von den Tücken der Teilzeit bis hin zur schwierigen Suche nach einem Kitaplatz für ihre Tochter - auf vieles war die 43-jährige Alleinerziehende aus Nordrhein-Westfalen nicht gefasst. „Als es dann wirklich so weit war, war ich wirklich negativ überrascht, wie sehr die Strukturen und der Staat es einem heute noch schwer machen, alleinerziehend zu sein“, sagt Buschmann am Telefon.
Alleinerziehend wurde Buschmann, als ihre Tochter zehn Monate alt war. Heute, vier Jahre nach der Geburt, hat sie einen Teilzeitjob bei einer Agentur. Vollzeitarbeit? Schwierig. Vollzeitarbeit in einer Führungsposition? Nahezu unmöglich, sagt sie.
„Ich hatte einen befristeten Arbeitsvertrag, als ich überraschend schwanger wurde. Mit dem Entbindungstermin war ich arbeitslos.“ Eine Schwangerschaft, sagt sie, sei für viele Frauen „ein kompletter Strich durch die Karriere“.
Und weil sie sich damit nicht abfinden und Betroffenen Rat schenken wollte, gründete Buschmann im letzten Jahr die digitale Austauschplattform „Solomütter“. Sie richte sich in erster Linie an Frauen, sagt sie. „Dafür wurde ich am Anfang relativ häufig angefeindet.“
Denn es gibt auch Männer, die in Deutschland Kinder alleine großziehen. Aber sie sind, wie auch Buschmann hervorhebt, deutlich in der Minderheit. Nach Daten des Bundesfamilienministeriums sind aktuell in Deutschland 1,5 Millionen Menschen alleinerziehend - 85 Prozent von ihnen sind weiblich. Die Zahl der Kinder unter 18 Jahren in diesen Haushalten liegt demnach bei 2,2 Millionen.
Laut Statistischem Bundesamt war 2020 fast jede fünfte Familie eine Familie mit alleinerziehendem Elternteil. Und damit auch eine Familie mit besonderen finanziellen Belastungen, wie jüngste Zahlen zeigen: Nach Angaben der Arbeitsagentur gelten 31,6 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte als hilfsbedürftig, während es bei Partnern mit Kindern nur 6,4 Prozent seien. Der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) rechnet vor, dass 40 Prozent der Alleinerziehenden ihr Einkommen mit Hartz-IV aufstocken.
Gerade die Corona-Pandemie habe die ohnehin große Belastung für diese Gruppe „weiter potenziert“, sagt VAMV-Bundesgeschäftsführerin Miriam Hoheisel der dpa. „Alleinerziehende sind am Rande ihrer Kräfte.“ Und dabei sei die Krise noch gar nicht vorbei: Schulen und Kitas seien weiterhin von einem Normalbetrieb „weit entfernt“, sagt sie.
Aktuell könnten Eltern auch dann noch Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen, wenn ihr Kind nicht krank ist, sondern eine Betreuung etwa aufgrund von Quarantäne nicht möglich sei. Diese Regelung laufe aber zusammen mit anderen Regeln am 19. März aus, warnt Hoheisel. Der Verband fordert, die Sonderregeln über diesen Stichtag hinaus zu verlängern. Ob das so kommt, ist noch unklar.
Mit dem Koalitionsvertrag hat sich die neue Bundesregierung zumindest auf dem Papier dazu verpflichtet, die Lage von Alleinerziehenden in Deutschland zu verbessern. Das Wort „Alleinerziehende“ kommt dort immerhin fünfmal vor - etwa im Zusammenhang mit einer Steuergutschrift speziell für diese Gruppe, oder auch bei der Idee einer vergüteten Auszeit nach der Geburt eines Kindes.
Was sich schon konkret abzeichnet: Wenn sie eine Haushaltshilfe beschäftigen, sollen Alleinerziehende künftig 40 Prozent der Kosten vom Staat bezuschusst bekommen. Dem Verband VAMV ist das zu wenig. Dass Alleinerziehende dann weiterhin 60 Prozent der Kosten alleine tragen sollen, sei nicht in Ordnung, argumentiert Verbandschefin Hoheisel. Auch an anderer Stelle müsse es mehr Geld geben: etwa beim Unterhaltsvorschuss für Kinder.
Auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack zählt einige Baustellen auf. In den von der Ampel geplanten Steuergutschriften sieht sie beispielsweise kaum einen Mehrwert: „Steuergutschriften für Alleinerziehende werden ihr Ziel verfehlen, weil die am stärksten von Armut betroffenen Alleinerziehenden häufig gar keine Steuern zahlen“, sagt Hannack der dpa.
Und gerade da müsse der Staat ansetzen: Ein Grund für die Armut vieler Alleinerziehender seien viel zu niedrige Löhne, sagt Hannack. Das sieht auch die alleinerziehende Sara Buschmann so und stellt die Frage: „Sollte man Minijobs nicht eigentlich komplett abschaffen?“ Auch über die Besteuerung von Alleinerziehenden und über Unterhaltssätze müsse die Politik „dringend nachdenken“, sagt die 43-Jährige.
Was sie sich von der neuen Bundesregierung grundsätzlich wünscht? „Gleiche Bezahlung und gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“ Nur so kann aus ihrer Sicht eine Basis dafür entstehen, dass Frauen künftig nach einer Trennung nicht mehr so oft „kalt überrascht“ werden.